Profil:Mario Adorf

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Mario Adorf, altersweiser Schauspieler, der im neuen "Winnetou" mal wieder böse sein darf. (Foto: dpa)

Altersweiser Schauspieler, der im neuen "Winnetou" mal wieder böse sein darf.

Von Christian Mayer

An Weihnachten gibt es ein Wiedersehen mit einem Mann, der den Menschen, die ihn zu kennen glauben, nicht aus dem Kopf geht. Sie sind mit ihm und seinen Filmen aufgewachsen und älter geworden, sie haben viel erlebt mit ihm. In seinen jüngeren Jahren musste der Sohn eines italienischen Chirurgen und einer Röntgenassistentin, der in der Eifel aufwuchs, oft Bösewichte spielen. Diesen Figuren - schießwütige Kleinkriminelle, Clan-Chefs, gerissene Unternehmer mit einem Schlag bei den Frauen - verlieh er stets etwas von seiner eigenen Grandezza und Lebenskraft. Die von ihm dargestellten Kerle hingen bis zum letzten Blutstropfen am Leben. So wie der geldgierige Frederick Santer in der Winnetou-I-Verfilmung, der sich an seinen Felsen klammert, wohl wissend, dass er gleich effektvoll in den Abgrund stürzen wird.

Mario Adorf ist inzwischen 86 Jahre alt, und er kann es einfach nicht lassen. Oder vielleicht ist es umgekehrt: Das Publikum kann von ihm nicht lassen. In der Neuverfilmung von "Winnetou", die der Sender RTL in den kommenden Tagen ausstrahlt, spielt Adorf eine Rolle, die ihm die Autoren mit feiner Ironie auf den Leib geschrieben haben. In einer berühmt-berüchtigten Szene in "Winnetou I" (1963) hatte der von Adorf gespielte Bösewicht kaltblütig Nscho-tschi, Winnetous bildschöne Schwester, erschossen, was Millionen Zuschauer traumatisiert zurückließ. Im dritten Teil der Neuinterpretation taucht dieser Santer nun wieder auf. Allerdings nicht als hemdsärmeliger Killer, sondern als verkrachter Künstler, der unter einem übermächtigen Vater leidet - Santer senior hat die Macht, das Geld und die Aufmerksamkeit.

Wer könnte den Alten in diesem Remake besser verkörpern als der Mann mit dem silberweißen Haupthaar und den blitzenden Augen? Mario Adorf als Santer senior, das ist ein cleverer Einfall der Filmproduzenten. Schließlich geht es darum, den Winnetou-Mythos generationenübergreifend an ein möglichst großes Publikum zu verkaufen. Adorf ist die Identifikationsfigur für die älteren Zuschauer und eine Entdeckung für die jüngeren, die nicht mehr mit den Karl-May-Büchern aufgewachsen sind. Regisseur Philipp Stölzl weiß genau, wie man einen wie ihn passend in Szene setzt: Gleich zu Beginn fällt das Licht aus den Seitenfenstern des Staatsgefängnisses von New York auf Adorfs schönes Patriarchen-Gesicht. Er zieht an der Zigarre, gönnt sich ein kurzes Lächeln und verpasst seinem missratenen Sohn eine saftige Ohrfeige. Das darf dann auch mal richtig knallen.

Wer sich die Mühe macht, das filmische Schaffen Adorfs seit seinem allerersten Auftritt im Kriegsfilm "08/15" aus dem Jahr 1954 zu würdigen, kann viel Zeit damit verbringen. So viele Rollen, so viele Erinnerungen. Als Baulöwe Schuckert in "Lola", als Kaufhaus-Pate im "Großen Bellheim" oder als verliebter Szenewirt in "Rossini" hat er das deutsche Publikum nachhaltig begeistert, auch weil die Männer, die er spielte, zunehmend sympathischer wurden; gelegentliche Alterstorheiten eingeschlossen. Etwas bedauert hat er nur, dass ihm die große internationale Karriere verwehrt blieb. Dabei ist Adorf ein kunstsinniger und in mehreren Sprachen bewanderter Europäer, der mit seiner Frau Monique nur Französisch spricht.

Wer das Glück hat, mit ihm ins Gespräch zu kommen, erlebt einen humorvollen, in sich ruhenden Erzähler. Man kann auch einfach die Augen schließen und seiner charakteristischen Singsang-Stimme lauschen, mit der er schon als Generaldirektor Heinrich Haffenloher in "Kir Royal" brillierte ("Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld"). Aber man sollte unbedingt auch auf das Adorf'sche Mienenspiel achten: Was dieser Mann mit seinen Brauen macht, wie er sie dramatisch hebt und senkt, ist eine wahre Augenweide. Ja, der Mann hat das Zeug zum Verführer, auch mit 86 - soll der mal ruhig weiterdrehen.

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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