Profil:Maria Butina

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(Foto: Tatyana Makeyeva/Reuters)

Verurteilte Lobbyistin mit Jobangeboten.

Von Frank Nienhuysen

Die Umarmung war innig. Als würde eine Mutter ihre Tochter wiedersehen, nach langer Entbehrung. Maria Butina, die Jüngere der beiden, gerade 31 geworden, die Haare zum Zopf geflochten, ist vor drei Wochen aus den USA nach Moskau zurückgekehrt. Am Montag wurde sie von Tatjana Moskalkowa begrüßt - nicht ihre Mutter, sondern die russische Menschenrechtsbeauftragte -, mit viel Lob und einem Jobangebot. Moskalkowa bot der Russin an, sie könne in ihrem Team mitarbeiten und dabei helfen, die Rechte von Russen im Ausland zu verteidigen, so berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass. Sie sagte Butina, dass "wir gemeinsam Leuten nützen können, die in eine schwierige Lage geraten sind". Butina kennt das. Sie war bis vor drei Wochen selbst in einer schwierigen Lage gewesen - bis in den USA ihre Gefängnisstrafe ablief und die US-Behörden sie per Flugzeug nach Moskau begleiteten.

Die Russin war im vergangenen Dezember als "ausländische Agentin" verurteilt worden. Agentin in Anführungsstrichen, weil sie sich als Waffenlobbyistin im Interesse Russlands in den USA als "foreign agent" hätte registrieren lassen müssen. Butina gab an, dass sie sich vor dem Gericht in diesem Punkt schuldig bekannt habe, um eine deutlich längere Haftstrafe zu vermeiden. Anderthalb Jahre saß sie in Florida im Gefängnis, zurück in Moskau wurde sie Ende Oktober mit Blumensträußen empfangen. Nur einen Tag später prophezeite ihr der Leiter des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten, Leonid Sluzkij, dass ihr noch "mehrere Siege" bevorstünden. Ein Sieg besteht nun darin, dass Butina beinahe freie Wahl hat bei ihrem Arbeitsplatz. Auch Sluzkij hatte nämlich sofort eine Idee: Butina könne in seinem Duma-Ausschuss mitarbeiten. Vom US-Gefängnis ins russische Parlament: So schnell ändern sich die Welten. Ob sie eines der Angebote überhaupt annimmt, ist bislang nicht bekannt.

Maria Butinas Geschichte ist auch eine Geschichte von Einflussnahme und Netzwerken im amerikanischen Machtmilieu. Die Frau stammt aus dem bergigen Altai-Gebiet in Sibirien, der Vater Jäger, sie selber familienbedingt waffenbegeistert. Lobbyistin war sie schon in Russland. Mit Anfang zwanzig gründete sie einen Verband mit dem Namen "Recht auf eine Waffe". Im Geiste war das schon mal eine enge Affinität zu den Zielen der amerikanischen Waffenlobby NRA.

Mit einem Studentenvisum reiste Butina später in die USA und schrieb sich an der American University of Washington ein. Sie knüpfte Kontakte zur NRA, ging zu deren großen Versammlungen, organisierte sogar selber Dinner, um Russen und Amerikaner zusammenzubringen. Von dort war der Weg dann nicht mehr weit zu einflussreichen Politikern der Republikaner. Sie soll sogar eine Beziehung mit einem Politiker aus South Dakota gehabt haben. 2016 traf sie in Las Vegas bei einer Veranstaltung Donald Trump, damals Kandidat seiner Partei, und fragte ihn, ob er denn die Sanktionen gegen Russland fortsetzen würde, als Präsident. Trumps Antwort: "Ich denke, ich werde mich sehr gut mit Putin verstehen."

Dass Butina die mächtige US-Waffenlobby zu Diensten Russlands unterwandern und die US-amerikanische Politik beeinflussen wollte, wie die Ankläger befanden, stritt die russische Regierung ab. Außenminister Sergej Lawrow sprach von fabrizierten Anschuldigungen, Butina selber sagte: "Wäre ich keine Russin, hätte man dies das In-Ordnung-Bringen gemeinschaftlicher Beziehungen genannt."

Zurück in Russland, scheint sie ihren Wunsch, "Frieden zu schaffen", nicht mehr weiterzuverfolgen. Ist es Verbitterung, Verdruss, Taktik? Ihre Vorwürfe gegen die amerikanische Justiz sind gewaltig. "Folter" sei es für sie im Gefängnis von Florida gewesen, "wahrscheinlich die schrecklichste Erfahrung meines Lebens", erzählte sie. Dabei haben besonders Haftanstalten in ihrer Heimat einen schlechten Ruf.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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