Profil:Małgorzata Kidawa-Błońska

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(Foto: Imago)

Hoffnung der Opposition in Polen.

Von Florian Hassel

Małgorzata Kidawa-Błońska könnte im Oktober das Erbe von zwei Vorfahren und zugleich zwei Gründervätern Polens fortführen. Ihr Urgroßvater Stanisław Wojciechowski war im erst 1919 wiederauferstandenen Polen von 1922 bis 1926 zweiter Präsident, ein anderer Urgroßvater, Władysław Grabski, zur gleichen Zeit Ministerpräsident - ein Erbe, das in diesem traditionsbewussten Land niemand auslässt, wenn es darum geht, die neue Spitzenkandidatin der oppositionellen "Bürgerkoalition" zu beschreiben. Gewinnt Kidawa-Błońska die Parlamentswahl am 13. Oktober, dann wird sie polnische Ministerpräsidentin werden.

Gewiss braucht die 62 Jahre alte Politikerin zur Profilierung nicht den Verweis auf ihre Ahnen. Die Warschauerin, eine studierte Soziologin, die mit dem Regisseur Jan Kidawa-Błoński verheiratet ist, arbeitete gut zwei Jahrzehnte lang mit ihrem Mann an eigenen Filmen. "Zum Blues bestimmt" ("Skazany na Bluesa") von 2005 über den Chef der Bluesrockgruppe Dzem gehört heute zum polnischen Filmkanon. Seit 2001 engagiert sich Kidawa-Błońska politisch: als Regierungssprecherin erst unter Donald Tusk, dann unter dessen Nachfolgerin Ewa Kopacz, als Warschauer Chefin der liberalkonservativen "Bürgerplattform", als Parlamentarierin seit 2005, als Parlamentspräsidentin 2015 und seit dem Wahlsieg der heute regierenden rechtsnationalen PiS als Vizepräsidentin des Parlaments.

Kidawa-Błońska genießt den Ruf einer sachorientierten, vermittelnden, niemals laut werdenden Politikerin. Journalisten, die einen Riss im perfekten Bild der allzeit beherrschten Frau suchten, gestand Kidawa-Błońska, sie sei nur einmal ausgeflippt: als sie in ihrem efeubewachsenen, mit alten Möbeln und Bildern ihrer Vorfahren gefüllten Haus aus Wut über ihren Mann und ihren Sohn einen kostbaren Porzellanteller zerlegt habe. Dass die liberale Konservative jetzt überraschend die Opposition in die Parlamentswahl führt, hat einen Grund: Der bisherige Oppositionsführer Grzegorz Schetyna ist sogar bei vielen Anhängern unbeliebt; Umfragen sahen ihn als Ballast beim Versuch der "Bürgerkoalition", im Kopf-am-Kopf-Rennen mit der PiS zu siegen. So trat Schetyna ins zweite Glied und präsentierte Kidawa-Błońska als Spitzenkandidatin.

Politisches Profil gewann Kidawa-Błońska vor allem als Vorsitzende einer Arbeitsgruppe, die ein Gesetz über künstliche Befruchtung entwarf; im katholischen Polen war das ein Aufreger erster Güte. 2015 wurde das Gesetz verabschiedet - und dann faktisch wieder einkassiert, nachdem die eng mit der Kirche verbundene PiS die Regierung übernommen hatte.

Kidawa-Błońska tritt schon seit Langem für die rechtliche Anerkennung von Homo- und Lesbenpartnerschaften und für ein liberaleres Abtreibungsrecht in Polen ein. Außerhalb des Parlamentes arbeitet Kidawa-Błońska beim "Frauenkongress" mit - einer für fortschrittliche Positionen streitenden Vereinigung. "Endlich! Es gibt jemanden, für den wir stimmen können!", bejubelte das einflussreiche Frauenmagazin der Gazeta Wyborcza jetzt die Vorstellung Kidawa-Błońskas als Spitzenkandidatin in Warschau. Einer Umfrage vom Mai 2019 zufolge stellen Frauen mit progressiven Positionen fast 60 Prozent der Wählerschaft der "Bürgerkoalition".

Ihre Positionen dürften Małgorzata Kidawa-Błońska massive Angriffe einbringen. Die PiS macht den angeblichen Untergang Polens durch ein liberaleres Abtreibungsrecht oder mehr Rechte für Schwule und Lesben zum Hauptthema im Wahlkampf. Ungewiss ist auch, ob Kidawa-Błońska es in den gerade einmal fünfeinhalb Wochen, die ihr bis zur Wahl bleiben, noch schafft, weitere programmatische Akzente zu setzen. Und ob sie ein Schattenkabinett mit bekannten Polen präsentieren kann, die nicht nur aus der vielen Wählern verhassten Parteipolitik kommen.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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