Profil:Luis Fernando Camacho

Lesezeit: 2 min

Boliviens Oppositionschef reizt die Macht.

Von Christoph Gurk

(Foto: Reuters)

Luis Fernando Camacho hat viele Spitznamen. Da wären zum Beispiel "El Macho", "Bolivianischer Bolsonaro" oder auch "El Presidente", der Präsident. Bislang wurde der Anwalt nur in seiner Heimatprovinz so genannt, doch das könnte sich bald ändern. Es wäre der radikalste Politikwechsel, den man sich in Bolivien überhaupt nur vorstellen kann.

Camacho stammt aus Santa Cruz im Osten von Bolivien, gleich an der Grenze zu Brasilien und Paraguay, flache Felder und Hunderttausende Rinder. Nach der Eroberung Südamerikas durch die Spanier kamen zuerst die Jesuiten in die Region, dann europäische Einwanderer. Heute ist Santa Cruz das unternehmerische und landwirtschaftliche Zentrum Boliviens. Die Provinzhauptstadt Santa Cruz de la Sierra steht in ewiger Konkurrenz zu La Paz im Hochland.

Hier wurde Camacho geboren und hier wuchs er auf. 40 Jahre ist er alt und der Spross einer wohlhabenden lokalen Unternehmerfamilie. Er hat in Santa Cruz und in Barcelona Jura studiert und danach in den Firmen seiner Eltern mitgearbeitet. Daneben war Camacho aber schon mit Anfang zwanzig Leiter der "Unión Juvenil Cruceñista", einer Gruppe, die für mehr Autonomie des Tieflands kämpft und als zumindest paramilitärisch, wenn nicht sogar rechtsextrem gilt. Anfang dieses Jahres wurde Camacho dann zum Präsidenten des Komitees "Pro-Santa Cruz" gewählt, einer Bürgervereinigung aus einflussreichen Unternehmern und sozialen Gruppen. Schon sein Vater hatte diesen Posten inne, er verspricht normalerweise ein wenig lokales Ansehen, mehr aber auch nicht. Camacho aber hat ihn genutzt, um sich an die Spitze der aktuellen Protestbewegung zu stellen. Er hat maßgeblich daran mitgewirkt, den bisherigen Präsidenten Evo Morales zum Rücktritt zu zwingen, und er hat es damit zu landesweiter Berühmtheit gebracht.

Morales hatte Bolivien mehr als 13 Jahre regiert. Die Wirtschaft wuchs, Millionen schafften es aus der Armut. Der Präsident beugte aber auch die Verfassung, um sich immer wieder wählen zu lassen. Das führte zu Unmut, der in Protest umschlug, als es Unregelmäßigkeiten bei der Wahl Ende Oktober gab. Die Opposition forderte eine Stichwahl, Camacho als Erster öffentlich den Rücktritt von Morales.

Camacho ist zwar vergleichsweise jung und kein Mitglied einer Partei, noch nie ist er in ein öffentliches Amt gewählt worden. Im Zuge der Proteste aber bewies er, wie viel politisches Gespür er dennoch besitzt. Denn als diese immer größer wurden, stellte Camacho erst ein Ultimatum an Morales, dann flog er selbst öffentlichkeitswirksam nach La Paz, unter dem einen Arm ein vorgefertigtes Rücktrittsschreiben, unter dem anderen eine Bibel. Denn auch das ist Teil seiner Inszenierung: Wann immer er kann, sinkt Camacho zum Gebet auf die Knie, reckt eine Faust mit Rosenkranz in die Luft oder zitiert Bibelverse.

All das steht in strengem Widerspruch zu Morales. Als erster indigener Präsident seines Landes förderte dieser die traditionellen Religionen, er berief sich auf Pachamama und Tata Inti, Mutter Erde und Vater Sonne. Camacho dagegen steht den fundamental-christlichen Politikern aus Paraguay und Brasilien viel näher, allen voran dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Mit frommer Rhetorik und dem Image vom starken Mann hat es dieser 2018 ins Präsidentenamt geschafft. Und so wie es aussieht, will auch Camacho dorthin.

Die Chancen stehen nicht schlecht, auch wegen eines weiteren Punkts, der Camacho und Bolsonaro eint: Beide pflegen nicht nur das Image vom starken und frommen Mann, sondern auch das des politischen Outsiders. Er habe nie Präsident sein wollen, sagt Bolsonaro. Camacho verspricht, nach dem Rücktritt von Morales nach Santa Cruz zurückzukehren und sich ausschließlich seinen Geschäften zu widmen. Es wird sich zeigen, ob er dieses Versprechen hält.

© SZ vom 13.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: