Profil:König Salman

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Der saudische Herrscher scheint die Tragweite der Affäre Khashoggi zu ignorieren.

Von Dunja Ramadan

(Foto: REUTERS)

Es war die erste öffentliche Rede seit dem Tod von Jamal Khashoggi, die der greise saudische König Salman bin Abdel Aziz Anfang der Woche vor dem Schura-Rat, dem saudischen Pseudoparlament, gehalten hat. Der 82-Jährige schaffte es dabei, kein einziges Mal den Namen des getöteten saudi-arabischen Journalisten in den Mund zu nehmen. Keine zehn Minuten dauerte Salmans Rede, seine Aussprache war undeutlich, er ist gezeichnet von einem Schlaganfall, angeblich leidet er an Demenz. Der Monarch ist sich der Tragweite des grausamen Auftragsmordes an Khashoggi wohl nicht bewusst. Salman lobte die Wirtschaftsreformen seines Sohnes Mohammed bin Salman, kurz MbS, der laut CIA den Tötungsbefehl gegen den Aktivisten Khashoggi gegeben haben soll.

Salmans Auftritt steht für eine jahrelange Attitüde des saudischen Königshauses im Umgang mit Affären: stures Abwarten, bis sich die Aufregung im Rest der Welt wieder gelegt hat. Viele Staaten sind abhängig von Öl und Geld der Saudis. Im Fall von US-Präsident Donald Trump scheint das Kalkül des Königs aufzugehen. Warum also bei jedem Aufschrei sofort reagieren? Und dann auch noch, wenn es um seinen Lieblingssohn geht?

Immerhin war eine seiner ersten Amtshandlungen als König, Mohammed bin Salman den begehrten Posten des Verteidigungsministers zu sichern. Zwei Jahre später ernannte Salman seinen Sohn zum Kronprinzen, anders als in anderen Königshäusern gibt es keine automatische Nachfolgeregelung. Der König gäbe sich also eine Blöße, würde er seine Entscheidung von damals nun rückgängig machen und seinen Sohn zurückpfeifen. Es wäre ein Eingeständnis, dass er den aufbrausenden, unberechenbaren Charakter von MbS unterschätzt hat.

Hinzu kommt, dass Salman, einst Gouverneur von Riad, vom Stammesdenken der Al-Saud-Dynastie geprägt ist: Salman gehört zu den "Glorreichen Sieben". Die sieben Sudeiri-Brüder sind die Söhne des Gründers Saudi-Arabiens, König Abdel Aziz al-Saud, und von dessen Lieblingsfrau Hussa bint Ahmad Sudeiri. Die Sudeiri-Gebrüder stellten in der Vergangenheit die meisten Thronfolger seit dem Tod von König Abdelaziz 1953. Salman ist davon überzeugt, dass seine Familie für den Zusammenhalt des Landes wesentlich ist. Ohne die Herrschaft seiner Familie könnte Saudi-Arabien im einem Chaos versinken wie der Irak, sagte Salman der Autorin Karen Elliot House in ihrem 2012 erschienen Buch "On Saudi Arabia".

Sich gegen diese Familie zu stellen, den eigenen Sohn, selbst wenn dieser einen gravierenden Fehler begangenen haben sollte, würde die Clanstruktur gefährden und womöglich oppositionelle Kräfte wecken. Bislang erwies sich die Stammeskultur als geeignetes Instrument der politischen Kontrolle, sie zwang die Angehörigen des Königshauses in die Loyalitätspflicht. Einer der Mörder Khashoggis sagte türkischen Sicherheitsquellen zufolge: "Verräter. Du wirst zur Rechenschaft gezogen werden." Kaum eine Anschuldigung wiegt schwerer, als ein Verräter zu sein.

Doch auch wenn sich König Salman in der Khashoggi-Affäre wegducken will, so soll es im Königshaus doch rumoren. Dutzende Prinzen und Cousins aus mächtigen Zweigen der Herrscherdynastie wollen angeblich die Thronfolge von Mohammed bin Salman verhindern. Sie sehen, was König Salman offenbar nicht wahrhaben will: Der Kronprinz ist im Ausland nicht mehr vermittelbar. Ein Kandidat ist bereits im Gespräch: Der einzige überlebende Vollbruder Salmans, der 76-jährige Prinz Ahmed bin Abdel Aziz, könnte den Thron übernehmen. Dieser war fast 40 Jahre lang stellvertretender Innenminister und hätte die Unterstützung einiger westlicher Länder, glauben saudische Insider. Mit der internen Revolution wollen die saudischen Royals allerdings wohl warten, bis der König gestorben ist. Denn auch das fordert das Stammesdenken: Gehorsam und Respekt vor den Entscheidungen der Älteren.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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