Profil:Kevin Spacey

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Schauspieler und Oscar-Preisträger, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird

Von Tobias Kniebe

Ein Kleinkrimineller mit Hinkefuß und flackerndem Blick - das war der Auftritt, der Kevin Spacey im Jahr 1995 bei einem größeren Kinopublikum bekannt machte. Wie allerdings jeder weiß, der Bryan Singers Film "Die üblichen Verdächtigen" gesehen hat, verbarg sich hinter dieser harmlosen Fassade eine ganz andere, beinah mythische Persönlichkeit: der ruchlose Meisterverbrecher Keyser Söze.

Für diese Rolle gewann Kevin Spacey Fowler, 1959 in New Jersey geboren, seinen ersten Oscar. Und es sollte dann tatsächlich sein schauspielerisches Markenzeichen werden, dass man ihm jede Art der Doppelgesichtigkeit - und der eiskalt geplanten Verbrechen - mühelos zutraut. Das zeigte er in David Finchers Thriller "Seven", wo er den kühlsten Serienkiller-Strategen der Filmgeschichte spielt, ebenso wie in der Rolle des Frank Underwood in der Netflix-Serie "House of Cards", der als größter Manipulator Washingtons über Leichen geht, um erst Vizepräsident und dann Präsident der USA zu werden.

"Aus irgendeinem Grund wollen die Leute, dass ich das Böse verkörperte", sagt der Schauspieler dazu. Als Opfer bürgerlicher Lebenslügen wie in "American Beauty" (zweiter Oscar) mochten sie ihn auch, aber reine Heldengeschichten mit ihm - wie seine von ihm selbst inszenierte Filmbiografie des Sängers Bobby Darin - floppten an der Kinokasse.

Dieses Image spielt natürlich eine Rolle, wenn Spacey aktuell mit dem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert ist, vor drei Jahrzehnten einen damals 14-jährigen Jungschauspieler sexuell belästigt zu haben. Die Filmwelt ist in heller Aufregung, und die Produktion von "House of Cards" wurde vorerst gestoppt. Besonders unglücklich erscheint es dabei, dass er seine auf Twitter publizierte Entschuldigung für den Vorfall zugleich zum Anlass nahm, sich als bisexuell zu outen und zu schreiben, er habe sich nun entschieden, "ehrlich und offen" als "schwuler Mann zu leben".

Diese Vermischung schüre, wie zahlreiche LGBT-Aktivisten kritisierten, unzulässige Verknüpfungen zwischen Homosexualität und Pädophilie (LGBT steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender). Zudem wirft sie ein Schlaglicht darauf, dass Kevin Spacey Fragen nach seinen Privatleben im Laufe seines Aufstiegs in Hollywood - und seiner ebenfalls eindrucksvollen Bühnenkarriere, die er mit der künstlerischen Leitung des Londoner Old-Vic-Theaters (2004 bis 2015) krönte - nicht gerade souverän gehandhabt hat. Seine sexuelle Orientierung war in der Branche ein offenes Geheimnis, dennoch zog er es vor, das Thema eher im Stil der Fünfzigerjahre zu handhaben - indem er etwa auf Oscarverleihungen seine Mutter mitnahm. Seine Figurenzeichnung mag das an manchen Stellen beflügelt haben, "House of Cards"-Präsident Frank Underwood etwa ist heimlich bisexuell und macht auch mal seinen Leibwächtern sexuelle Avancen. In der Wirklichkeit aber verschärft es die Probleme, die Kevin Spacey jetzt hat.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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