Profil:Juval Diskin

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Ex-Geheimdienstchef und Geschäftspartner von Volkswagen: Juval Diskin. (Foto: Ziv Koren)

Der Ex-Geheimdienstchef ist inzwischen Geschäftspartner von Volkswagen.

Von Nicolas Richter

Ein Kleinbus, gefilmt aus großer Höhe. Er fährt eine Straße entlang und geht plötzlich in einem Feuerball auf. Das brennende Wrack rollt in einer Rauchwolke aus. Juval Diskin hat entschieden, den Kleinbus mitsamt der Insassen zu vernichten. Selbst wenn es eine "saubere" Operation war, wenn also nur mutmaßliche Terroristen gestorben sind und kein Unbeteiligter - es bleibe doch ein seltsames Gefühl, sagt er. "Das Unnatürliche ist die Macht, die du hast, in nur einem Augenblick das Leben von drei Menschen, drei Terroristen, zu beenden."

Diskin war von 2005 bis 2011 Chef des israelischen Geheimdienstes Schin Bet und sollte sein Land vor Terroristen schützen. Im Dokumentarfilm Töte zuerst (The Gatekeepers) erzählt er, wie er einst über Leben und Tod entschied. Er wusste, dass ihn manche für einen Mörder hielten. "Aus Sicht des Feindes war übrigens ich der Terrorist", sagt er. Nebenbei rüstete er seinen Dienst aus, um Cyberangriffe abzuwehren. Nachdem er Schin Bet 2011 verlassen hatte, machte er sich als Sicherheitsunternehmer selbständig und widmete sich auch dabei der Cybersicherheit.

Nun taucht Diskin, 60, an ganz anderer Stelle auf: in der von Stickoxid belasteten Atmosphäre des VW-Abgasskandals. Anfang 2015 soll Diskin nach Wolfsburg gereist sein, um bei VW für seine Sicherheitsfirma zu werben. Vermittelt hatte das Treffen offenbar der frühere israelische Diplomat Avi Primor, der damals mit seinem Freund Diskin anreiste und bei der Gelegenheit auch Ferdinand Piëch besuchte, seinerzeit Chef des VW-Aufsichtsrats.

Piëch behauptet jetzt, er habe damals von Primor erfahren, dass der Konzern wegen manipulierter Abgaswerte Ärger in den USA habe; anschließend will Piëch Kollegen im Aufsichtsrat sowie Vorstandschef Martin Winterkorn informiert haben. Sollte das stimmen, hätte die Unternehmensspitze den Skandal zu Unrecht und über Monate verschwiegen, was enorme haftungsrechtliche Folgen hätte. Primor und Diskin bestreiten aber, mit Piëch über Abgase geredet zu haben. Noch ist unklar, wer hier die Wahrheit sagt.

Sicher ist nur, dass VW und der einstige Oberagent Diskin dann doch miteinander ins Geschäft gekommen sind. Im September 2016 verkündeten sie, die gemeinsame Firma Cymotive gegründet zu haben. Sie soll vernetzte und selbstlenkende Autos vor Cyberangriffen schützen. Denn als neue Gefahr gilt es ja, dass sich jemand über das Internet in Autos anderer Leute einhackt und die Kontrolle übernimmt.

Die Karriere Diskins ist nicht ungewöhnlich: Etliche ehemalige Agenten oder Polizisten beraten Wirtschaftsunternehmen, um nach einem Leben für den Staatsschutz noch ein bisschen Geld zu verdienen. Für die Beratenen hat das diverse Vorteile. Sie bekommen hochrangige, erfahrene Verbrechensbekämpfer. Wenn sie zum Beispiel einen Hackerangriff erleiden, müssen sie für die Aufklärung nicht unbedingt die Polizei rufen und das Risiko eingehen, dass der Fall an die Öffentlichkeit gelangt; stattdessen können sie die Sache mit Hilfe privater Experten diskret aufarbeiten. Außerdem können Berater wie Diskin womöglich ihre alten Kontakte im Sicherheitsapparat anzapfen; vielleicht wird da auch mal eine nützliche Information durchgestochen.

Eine Theorie über die Rolle Diskins besagt, er habe von US-Geheimdiensten etwas über die Probleme Volkswagens in Amerika erfahren und dies Anfang 2015 an Piëch weitergereicht, um für sich und sein gutes Netzwerk zu werben. Wie gesagt, es gibt dafür keinerlei Beweis.

Diskin wird bei Schin Bet so ziemlich alles schon erlebt haben. Deswegen dürfte er sich jetzt vor allem über eines wirklich wundern: Warum plaudert der Patriarch Piëch echte oder erfundene Geheimnisse aus, die seinem eigenen Konzern und ihm selbst schaden könnten? Aus blinder Rachsucht? Manches aus der Wolfsburger Dunstglocke jedenfalls dürfte sogar gestandene Nahost-Agenten noch überraschen.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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