Profil:Juliette Binoche

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Weltbürgerin, Schauspielerin und oberste Filmkritikerin auf der Berlinale.

Von Susan Vahabzadeh

(Foto: Claudio Onorati/DPA)

Juliette Binoche hat unter den Schauspielern das hinbekommen, was im Tennis ein Grand Slam ist: Sie ist auf den drei großen Festivals, in Cannes, Venedig und Berlin, jeweils als beste Darstellerin ausgezeichnet worden. Kein Wunder, dass sie diesen Festivals tief verbunden ist. In diesem Jahr wird Binoche Präsidentin der Berlinale-Jury sein, die am heutigen Donnerstagabend bei der Eröffnung mit Lone Scherfigs "The Kindness of Strangers" ihre Arbeit aufnimmt.

17 Filme laufen im Wettbewerb, über den Juliette Binoche richten wird, unter anderem Fatih Akins "Der goldene Handschuh", "Grâce à Dieu" von François Ozon und "Elisa & Marcela" von Isabel Coixet. So ein Auftrag ist stressig, aber auch ehrenvoll. Und er schult den Blick: Schauspieler brauchen Urteilsvermögen, was ganze Filme anbelangt, sonst müssen sie sich auf eine kurze Karriere einstellen. Juliette Binoche ist einer der letzten großen internationalen Stars; zu Hause in Frankreich heißt sie meist nur "La Binoche". Sie sei, sagt sie, keine große Französin, der Titel gebühre George Sand oder Simone de Beauvoir.

Juliette Binoche, 1964 in Paris geboren, hat das Schauspielstudium am Conservatoire National abgebrochen - geschadet hat ihr das nicht. Sie hat fast alle Preise gewonnen, sie gehört zu den bestbezahlten französischen Schauspielerinnen. Sogar einen Oscar hat sie bekommen, für "Der englische Patient" (1996), für denselben Film wurde sie auch in Berlin ausgezeichnet. Sie hat danach immer wieder in internationalen Produktionen mitgespielt - aber Popcorn-Kino war nicht ihr Ding, sie hat sich selten zu Auftritten hinreißen lassen wie 2014 in "Godzilla". Steven Spielberg hat sie, als er sie engagieren wollte - unter anderem für "Indiana Jones" -, jedes Mal einen Korb gegeben, angeblich dreimal. Lieber spielt sie zwischen den Kino-Drehs Theater, Stücke von Pirandello und Harold Pinter.

Als Schauspielerin war Juliette Binoche von Anfang an der Gegenentwurf zu der herben Isabelle Huppert - Binoche spezialisierte sich auf fragile Charaktere, auf die Nuancen von Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Sie wurde in den Achtzigerjahren zum französischen Nachwuchs-Star schlechthin, als Teresa in "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", die unter den Affären ihres Ehemanns (Daniel Day-Lewis) leidet, und als junge Schauspielerin Nina in "Rendez-vous", der ihr verstorbener Geliebter als Geist erscheint. Im Grunde ist die alternde Schauspielerin, die Binoche 2014 in "Die Wolken von Sils Maria" spielte, eine Fortentwicklung dieser Rolle: Für die beiden Frauen, die sie verkörpert, ist die Schauspielerei wie eine Sucht, von der sie nicht lassen können, obwohl sie an ihr leiden - bis sie nicht mehr erkennen können, wo die Wirklichkeit aufhört und ihre Fantasien anfangen.

Nächste Woche kommt ihr neuester Film in die deutschen Kinos. In Naomi Kawases "Blüte des Einklangs" spielt sie Jeanne, die in einem japanischen Wald nach einem Zauberkraut sucht, das alle Wunden heilt; auch die, die eine verlorene Liebe in ihrem Herzen hinterlassen hat. Sie beschränkt sich auf meist drei Filme pro Jahr, engagiert ist sie trotzdem: Seit fast zwanzig Jahren setzt Binoche sich bei der Organisation Reporter ohne Grenzen für inhaftierte Journalisten ein, außerdem für Flüchtlinge und illegale Einwanderer in Frankreich. Binoches Vater, ein Regisseur, war polnischstämmiger Franzose, in Marokko aufgewachsen. Vielleicht ist sie deswegen eine cineastische Weltbürgerin. Sie hat immer wieder mit Regisseuren gedreht, die sie zu Ausflügen in die englische oder französische Sprache animierte, sie hat mit dem Polen Krzysztof Kieslowski "Drei Farben: Blau" gedreht, mit dem Iraner Abbas Kiarostami, nun mit der Japanerin Kawase. Die Liebe zum internationalen Kino spiegelt wahrscheinlich ihre Haltung zur Welt - für sie gehört, bei der Arbeit und im Leben, alles zusammen.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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