Profil:John McCain

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Der aufrechte Senator und Republikaner ist ein Gegner von Präsident Trump.

Von Reymer Klüver

Wer John McCain auch nur ein bisschen kennt, der ahnte, dass er alles daransetzen würde, sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. Die Gelegenheit zu demonstrieren, wie er sich den demokratischen Prozess in Washington vorstellt. Und vorzuleben, was er unter menschlichem Anstand und persönlicher Aufrichtigkeit versteht, auch und gerade in Zeiten Donald Trumps.

Und so nahm der schwer krebskranke Mann, gezeichnet von seiner nur zwölf Tage zurückliegenden Hirnoperation, den Fünf-Stunden-Flug aus seiner Heimat Arizona in die Hauptstadt auf sich, um mit seiner Stimme sicherzustellen, dass der Senat die Debatte über die Revision der Gesundheitsreform Barack Obamas fortsetzen kann. Wäre er nicht gekommen, das Vorzeigeprojekt seiner Partei, der Republikaner, wäre am Ende gewesen. Er versprach nicht, dass er für die Abschaffung von Obamacare stimmen werde. Aber die Debatte wollte er doch ermöglichen.

Vor allem aber nutzte er die Chance, das zu tun, was ihm den Respekt selbst politischer Gegner eingebracht hat (und die Abneigung nicht weniger Parteifreunde): zu sagen, was er denkt, ohne Rücksicht auf Opportunität und ohne Furcht vor den Mächtigen, weder in seiner eigenen Partei noch sonst irgendwo in der Welt. Und so geißelte er die rüden Umgangsformen in Washington und verlangte die Rückkehr zu einer Kultur des Kompromisses, in der Demokraten und Republikaner miteinander Gesetze aushandeln, den Belangen beider Seiten Rechnung tragen und eine breite Mehrheit finden - eine Tradition, die seit Ende des vergangenen Jahrhunderts im Kongress verloren gegangen ist.

Der Senator nannte den Präsidenten nicht beim Namen, dem er in herzlicher Abneigung verbunden ist. Aber als er den Senat beschwor, nicht länger auf die "bombastischen Großmäuler in Radio, Fernsehen und Internet" zu hören, war klar, dass er damit die giftsprühende Kultur meinte, die Trump ins Weiße Haus gebracht hat.

Dorthin wollte McCain selbst einmal. 80 Jahre ist er inzwischen alt, drei Jahrzehnte schon dient der einstige Kampfpilot im Senat, der im Vietnamkrieg abgeschossen wurde und fünf Jahre lang in nordvietnamesischer Gefangenschaft verbringen musste. 2008 setzte er sich als Präsidentschaftskandidat der Republikaner durch, wurde jedoch bei der Wahl von Barack Obama klar geschlagen.

Der Verlierer aber blieb im Senat und wurde endgültig zum elder statesman, der in der Innenpolitik auf die Einhaltung fairer demokratischer Regeln pocht und in der Außenpolitik nicht müde wird, für das alte westliche Wertebündnis zu werben - beides Unterfangen, für die er mit dem Beifall des Präsidenten nicht rechnen kann.

Am Ende ist John McCain vielleicht aus einem einzigen Grund zurück nach Washington gekommen: Um zu zeigen, dass er sich so leicht nicht unterkriegen lässt. Nicht von Donald Trump, nicht von seiner Krankheit.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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