Profil:Jeff Koons

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Der Kunstmarkt-Star könnte mit seinen kühnen Ambitionen in Paris scheitern.

Von Kia Vahland

Jeff Koons aktuelles Großprojekt zielt aufs Ganze. Zum Andenken an die Opfer des islamistischen Terrors in Frankreich will der US-amerikanische Künstler eine zwölf Meter hohe Skulptur vor dem Museum für moderne Kunst in Paris platzieren. Der Entwurf zeigt eine aus dem Boden wachsende Hand, die einen leicht geknickten Strauß bunter Tulpen hochreckt. Die Initiative geht von der amerikanischen Botschafterin in Frankreich aus. Vorbild ist die Freiheitsstatue in New York, die einst die Franzosen den Amerikanern schenkten. Allerdings spendiert Koons nur seine Idee, finanziert werden soll der Blumenstrauß von Mäzenen.

Daraus könnte nichts werden. Französische Kulturschaffende protestierten in einem offenen Brief gegen das Monument, das den Blick auf den Eiffelturm verstellen werde. Es handele sich um unangemessene Werbung für den Künstler des "Spektakels und der Spekulation". Koons verharmlose und instrumentalisiere das Leid der Opfer.

Das könnte den Lebensplan des kommerziell vielleicht erfolgreichsten Künstlers durchkreuzen. Ihn treibt die Frage an: Wie wird man sehr reich und dauerhaft berühmt? Der ehemalige Aushilfsbroker von der Wall Street hält sich an einen Dreipunkteplan: provozieren und auffallen, solange man jung ist; dann für das eigene Werk mit warmen Worten werben. Und schließlich um Ewigkeit ringen, indem man ins Museum strebt oder in den öffentlichen Raum.

Punkt eins gelang dem Sohn eines Möbelhändlers in den Neunzigerjahren, als er den italienischen Pornostar Ilona Staller, Künstlername Cicciolina, heiratete, strahlend-glatte Skulpturen des Paares beim Sex schuf und sich schließlich erst von Cicciolina trennte, dann von einigen der Aktdarstellungen, die er vernichtete, um nicht als ewiger Pornograf dazustehen. So wurde er zum Prominenten, dessen Auftritte in bunten Blättern auch jenen geläufig waren, die nie in Galerien gehen. Zugleich begeisterten sich Museumskuratoren für Koons' Schamlosigkeit und seine Gabe, zwischen Hoch- und Populärkultur zu vermitteln. Schon 1993 widmete die Staatsgalerie Stuttgart dem 38-Jährigen eine Retrospektive.

Der geschmeidige, im Gespräch einnehmende Koons ist klug genug zu wissen: Gezielte Tabubrüche alleine genügen nicht, um den Leuten im Gedächtnis zu bleiben. Deswegen weist er, Punkt zwei des Erfolgsrezepts, darauf hin, es gehe ihm um Höheres; schon die Sex-Skulpturen sollten Lebensfreude verbreiten. "Archetypische Glücksbilder" wolle er kreieren, sein Ziel sei "Transzendenz", Kunst müsse zur "Erleuchtung" anstiften.

So gibt sich der jungenhaft wirkende Turnschuhträger weihevoll. Als ihm vor zehn Jahren das Schloss in Versailles eine Ausstellung anbot, war das genau der Rahmen, in dem er sich wohl fühlte: prächtig, glitzernd, wichtig. Tatsächlich hat er es zum modernen Hofkünstler gebracht - allerdings weniger in Diensten von Regierungen als von Einzelpersonen und Firmen, die sich seine immer monumentaler werdenden Stahlskulpturen leisten können. 2013 verkaufte sich sein kindlich anmutender Metallpudel "Balloon Dog Orange" für mehr als 58 Millionen Dollar. Kein lebender Künstler erzielt auf Auktionen so hohe Preise wie der breit lächelnde Chef von mehr als 130 Mitarbeitern.

Doch Sammler gieren nach Neuem, und der Zeitgeschmack kann sich ändern. So arbeitet Koons am dritten Punkt der Erfolgsliste: der Suche nach ewigem Ruhm. Sein Ziel ist es offenkundig, sich zwischen Leonardo da Vinci und dem Eiffelturm anzusiedeln. Kürzlich druckte er die "Mona Lisa" auf Handtaschen von Louis Vuitton. Mitten in Paris eine Skulptur zu einem gesellschaftspolitisch relevanten Thema aufzustellen, würde sein Lebenswerk krönen. Der Starkünstler wird viel lächeln und noch mehr erklären müssen, um zu zeigen, dass er es ernst meint mit der uneigennützigen, gesellschaftlichen Verantwortung der Kunst.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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