Profil:Ilmi Umerov

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Krimtatarischer Politiker und politischer Häftling - in der Psychatrie.

Von Cathrin Kahlweit

Der russische Anwalt und Korruptionsbekämpfer Sergej Magnitzky starb 2008 in Moskau in Untersuchungshaft, weil ihm dringend nötige medizinische Versorgung verweigert worden war. Sein Schicksal gilt als eines der aktuelleren Beispiele für die Unerbittlichkeit, mit welcher der Kreml seine Kritiker zu Staatsfeinden stempelt und verfolgt. Nun droht der tatarische Politiker Ilmi Umerov ein ähnliches Schicksal zu erleiden: Der 59-jährige Mediziner und Politiker war stellvertretender Chef der Medschlis, einer Art Parlament der Krimtataren. Er hatte sich bereits im Frühjahr 2014 öffentlich gegen die Annexion der Krim durch Russland verwahrt und ist nun, im Mai dieses Jahres, verhaftet worden.

Nach Angaben seines Anwalts wirft der russische Geheimdienst ihm vor, 2016 in einem TV-Interview für einen krimtatarischen Sender gesagt zu haben: "Es ist wichtig, das Russland die Krim, Donezk und Luhansk verlässt, damit es möglich wird, die ursprünglichen ukrainischen Grenzen wiederherzustellen." Umerov habe damit, so der FSB, Aufrufe erlassen und Handlungen begangen, die sich gegen die territoriale Einheit Russlands richteten.

Umerov durfte schon während der Ermittlungen gegen ihn die Halbinsel nicht verlassen. Mitte August, während seiner Haft, wurde er aus einem Krankenhaus, in dem er wegen hohen Blutdrucks behandelt wurde, in die Psychiatrie verlegt, offiziell zur "Evaluierung" seines Geistzustandes. Der Gesundheitszustand des Diabetikers, der überdies an Parkinson erkrankt ist, hat sich nach Angaben von Human Rights Watch seither verschlechtert.

Umerov ist nur einer von zahlreichen Okkupationsgegnern, die in der Psychiatrie und im Gefängnis sitzen oder ganz aus ihrer Heimat verbannt wurden. Moskau hat zwei Jahre nach der Entsendung der "kleinen grünen Männchen" auf die Halbinsel den Druck auf die letzten im Land verbliebenen Kritiker massiv erhöht und geht vor allem gegen krimtatarische Aktivisten vor. Die ukrainischen Behörden, die bisher dagegen ebenso erfolglos protestierten wie Menschenrechtsorganisationen oder die EU, warnen davor, dass Moskau Häftlinge in der Psychiatrie zu brechen versuche. Präsident Petro Poroschenko sprach von der Rückkehr stalinistischer Methoden.

Offiziell ist Umerov, der in Odessa Medizin studierte, lange als Arzt arbeitete und nach dem Wechsel in die Politik Bürgermeister der Stadt Bachtschyssaraj, einer einstigen krimtatarischen Hochburg, wurde, längst nicht mehr Vize der Medschlis. Er kann es gar nicht sein: Das Verfassungsgericht der Krim erklärte die tatarische Versammlung im April zur extremistischen Organisation. Die Tataren auf der Krim waren unter Stalin 1944 deportiert worden; erst 1967 erging ein Beschluss des Obersten Sowjets, der sie vom "kollektiven Verrat" freisprach, und erst während der Perestrojka kehrten die meisten in ihre Heimat zurück. Nun, so scheint es, werden sie wieder zu Staatsfeinden und Verrätern gestempelt.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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