Profil:Henri Poupart-Lafarge

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Der französische Konzernchef steht vor einer bahnbrechenden Mission.

Von Thomas Fromm

(Foto: Marlene Awaad/Bloomberg)

Dafür, dass Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge, 48, demnächst einen europäischen Bahn-Champion führen soll, bringt er erstaunlich wenig Euphorie für Schnellzüge mit. "Das Wettrennen um die schnellsten Züge ist vorbei", sagte er schon vor drei Jahren. Züge wie Alstoms TGV und der ICE von Siemens - beide so etwas wie Industrie-Ikonen ihrer Herkunftsländer - sind für ihn "Prestigeprojekte". Wirtschaftlich viel interessanter seien die kleineren Züge für den Nahverkehr, vor allem in Schwellenländern: mehr Masse, mehr Rendite, weniger Chichi.

Nun also ist ausgerechnet Poupart-Lafarge für einen Job vorgesehen, bei dem es erst einmal vor allem darum geht: ums Prestige. Um die Frage, wie aus deutschen ICE und französischen TGV in den nächsten Jahren so etwas wie ein "Airbus der Schiene" werden soll. Denn wenn Siemens seine Zugsparte mit Alstom in einem Unternehmen in Frankreich zusammenführt, wird es zwar auch um Regionalzüge gehen, um S- und um U-Bahnen. Messen aber wird man den Manager am Ende daran, ob es ihm gelingt, deutsche ICE und französische TGV gemeinsam aufs Gleis zu bringen. Dabei geht es um viel mehr als Technologien. Wenn Traditionskonzerne wie Siemens und Alstom enger zusammenrücken, dann geht es auch um Kulturen, um Politik - und um die hohe Kunst der Diplomatie.

Poupart-Lafarge und Siemens-Chef Joe Kaeser haben zuletzt tagelang zusammengesessen und verhandelt. Sie wollen einen starken europäischen Champion formen, um sich gegen die übermächtige Konkurrenz aus China zu behaupten. Doch auf kurz oder lang wird es wie so oft auch um Einsparungen gehen - und um die brisante Frage, wo Stellen abgebaut werden. Auf deutscher oder französischer Seite? Schon am Wochenende warfen Kritiker der Regierung in Paris vor, den Zughersteller "an Siemens zu verkaufen". Schon da war klar: Poupart-Lafarge wird ein Manager zwischen politischen Zwängen und Konzernraison sein. Ein Mann im Dauerspagat zwischen Paris und München, einer, der auf die Proteste der eigenen Gewerkschaften ebenso eingehen muss wie auf die Partner von Siemens und deren Betriebsräte.

Poupart-Lafarge hat an Frankreichs Elite-Schulen gelernt, er war am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und bei der Weltbank in Washington. Ab 1994 arbeitete er im Pariser Wirtschaftsministerium, bevor er schließlich in der Finanzabteilung von Alstom anfing. Der Vater Top-Manager beim französischen Konzern Bouygues, der Bruder Chef des Kabelherstellers Nexans - die Familie, schrieb die Zeitung Le Monde einmal, bestehe vor allem aus "Figuren des Trikolore-Kapitalismus".

Diese spezielle Mischung aus nobler Herkunft, Weltgewandtheit und Kontakten bis tief in Politik und Wirtschaft hinein ist das, was Personalberater suchen, wenn sie solche Top-Jobs zu vergeben haben. Allerdings: Dieser hier ist schon sehr besonders.

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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