Profil:Helena Dalli

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Helena Dalli aus Malta ist die erste Gleichstellungskommissarin der EU. (Foto: John Thys/AFP)

EU-Kommissarin mit glamouröser Vergangenheit.

Von Karoline Meta Beisel

Den Kommissarinnen und Kommissaren der Europäischen Union haftet der Ruf an, ein Haufen grauer Bürokraten zu sein. Dabei haben einige von ihnen ein durchaus glamouröses Vorleben: Die Finnin Jutta Urpilainen hat mal eine Weihnachts-CD aufgenommen, der Franzose Thierry Breton gibt gern mit seinem Science-Fiction-Roman an, und selbst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist als Kind mal mit ihren Geschwistern singend im Fernsehen aufgetreten.

Helena Dalli, Kommissarin aus Malta, kann gleich auf mehrere solcher Einträge in ihrer Biografie verweisen. 1979 nahm sie als "Miss Malta" an der Wahl zur "Miss World" teil; und sechs Jahre später spielte sie im italienisch-amerikanischen Actionfilm "Final Justice" mit. Dalli hatte darin genau jene Nebenrolle, die schönen Frauen Anfang der Achtzigerjahre im Kino oft zugedacht war: gut aussehen und dem männlichen Helden helfen. Der Film war ein totaler Flop, bei der Filmbewertungsseite Imdb bekommt er gerade mal zwei von zehn Sternen.

An diesem Donnerstag aber spielte Dalli eine Hauptrolle. Als erste Gleichstellungskommissarin der EU präsentierte sie in Brüssel die neue Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter. Diese umfasst ein ganzes Paket an Maßnahmen, vom Einsatz gegen Gewalt gegen Frauen über den Kampf gegen den "Gender Pay Gap" - also die Tatsache, dass Frauen für dieselbe Arbeit oft schlechter bezahlt werden als Männer - bis hin zu einer Kampagne gegen Geschlechter-Stereotypen: Einer Studie von Eurostat aus dem Jahr 2017 zufolge finden 44 Prozent der Europäer, dass die wichtigste Aufgabe von Frauen ist, sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern.

Die Themen Vorurteile und Gleichstellung begleiten die heute 57-jährige Sozialdemokratin, seit sie 1996 erstmals ins maltesische Parlament gewählt wurde. Nicht nur, weil sich Dalli als frühere Schönheitskönigin dort erst einmal beweisen musste. Sondern auch, weil die promovierte Soziologin bereits damals im Stab des Premierministers als Staatssekretärin für Frauenrechte zuständig war. Von 2013 an setzte sie sich auch als Ministerin für mehr Gleichberechtigung ein. Während ihrer Amtszeit erreichte sie vor allem für Schwule und Lesben und für Inter- und Transsexuelle wichtige juristische Fortschritte. So verabschiedete Malta 2015 als erstes Land ein Gesetz, das Geschlechtsangleichungen bei intersexuellen Kindern verbietet, bis das Kind reif genug ist, diese Entscheidung selbst zu treffen. Aktivisten und Bürgerrechtler weltweit feierten das Gesetz als Meilenstein. Auch die Ehe für alle und ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare wurden während ihrer Zeit eingeführt.

Trotzdem wurde Dalli bei ihrer Ankunft in Brüssel erst einmal mit Skepsis empfangen, denn in anderer Hinsicht ist das katholische Malta eher rückständig: Ehen können dort erst seit 2011 geschieden werden, Abtreibung ist bis heute verboten. Europaabgeordnete sorgten sich, Dalli könne als EU-Kommissarin zu sehr Malteserin sein und solch konservativen Ansichten mit in ihren neuen Job bringen. Bei ihrer Anhörung im Parlament brachte Dalli die Abgeordneten aber schnell auf ihre Seite: mit vehementem Widerspruch gegen den Einwurf einer AfD-Abgeordneten, Geschlechtsänderungen "von heute auf morgen" könnten im Profisport zu unfairem Wettbewerb führen.

Bei einem Treffen mit Journalisten mühte sich Dalli am Mittwochabend, Sorgen zu zerstreuen, sie könne wegen ihres Heimatlandes befangen sein: "Dass es bei uns vor sieben Jahren noch nicht einmal möglich war, sich scheiden zu lassen, zeigt doch gerade, dass man sich ändern kann, wenn man es wirklich will." Kulturelle Unterschiede dürften den Mitgliedstaaten nicht als Ausrede dafür dienen, sich Veränderungen entgegenzustellen, sagte Helena Dalli, ganz im Gegenteil: "Wir müssen alle raus aus unserer Komfortzone."

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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