Profil:Fuad Twal

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Fuad Twal, Patriarch von Jerusalem und Prediger zwischen den Fronten. (Foto: Abbas Momani/AFP)

Der Patriarch von Jerusalem ist ein Prediger zwischen den Fronten.

Von Peter Münch

Die Krippe steht nun mal in Bethlehem, und so darf sich die palästinensische Kleinstadt, die sonst im Schatten des israelischen Sperrwalls darbt, einmal im Jahr als Mittelpunkt der Welt fühlen. Auf die Christmette in der Geburtskirche blicken an Heiligabend die Gläubigen auf dem ganzen Globus. Live und in Farbe wird der Gottesdienst in alle Welt übertragen, und die Hauptrolle spielt, wenn man einmal vom hölzernen Jesuskind absieht, seit Jahren der gleiche ältere Herr: Fuad Twal, der lateinische Patriarch von Jerusalem, das Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land.

Dem 75-jährigen Erzbischof obliegt es, zum Weihnachtsfest den Dreiklang von Eintracht, Frieden und Versöhnung unters Volk zu bringen. Optimismus gehört zum Job-Profil, und so sind von den letzten Predigten des Patriarchen in der Geburtskirche vor allem die Durchhalteparolen in Erinnerung: "Lasst euch nicht entmutigen", "ihr dürft nicht verzweifeln" - so klingt sein Credo angesichts der friedlosen Wirklichkeit im Nahen Osten. Doch die neue Explosion der Gewalt, die in diesem Jahr seinen Sprengel erschüttert, hat auch bei ihm Spuren hinterlassen: "Welch ein Schmerz es ist, schon wieder zu beobachten, wie sich der Hass gegen Vernunft und Dialog durchsetzt", klagte er auf seiner vorweihnachtlichen Pressekonferenz. "Ich bin es überdrüssig, das Heilige Land blutbesudelt zu sehen."

Das darf als Hilferuf eines Mannes verstanden werden, der im Auftrag des Herrn als Diplomat und Brückenbauer unterwegs ist. 2008 wurde er vom Papst mit der Aufgabe in Jerusalem betraut, zuständig für maximal 70 000 römisch-katholische Christen im Heiligen Land - Tendenz sinkend. Im Konflikt zwischen Juden und Muslimen steht die Minderheit zwischen den Fronten, viele Christen sind schon abgewandert in ein sichereres Exil.

Häufig prallt Fuad Twal auf Mauern, wenn er seine Gläubigen besucht, viel zu oft steht er an Checkpoints oder Zäunen. Sein Bistum ist flächenmäßig groß und zerstückelt, neben Israel und den Palästinensergebieten ist er als Oberhirte auch für Jordanien und Zypern zuständig. Das erfordert rege Reisetätigkeit, und manchen in seiner Umgebung, so ist zu hören, ist das bisweilen auch zu rege. Sie sähen es lieber, wenn er sich noch mehr auf den israelisch-palästinensischen Konflikt konzentrierte, wie es sein palästinensischer Vorgänger Michel Sabbah tat. Doch Fuad Twal hat Beduinen-Blut, vielleicht hält es ihn deshalb nie lange an einem Ort.

Als fünftes von neun Kindern wurde er 1940 in Jordanien geboren, die Geschichten von der nomadischen Wanderschaft kennt er nur noch von seinen Großeltern. Theologie studierte er in Beit Jala nahe Bethlehem, Vikar wurde er in Ramallah, Pfarrer schließlich in seiner jordanischen Heimat. Zum Studium des Kirchenrechts ging er nach Rom, promovierte mit einer Dissertation über das traditionelle Beduinenrecht und trat in den diplomatischen Dienst des Vatikans ein. Zwei Jahre, von 1988 bis 1990, verbrachte er dabei auch in Deutschland, häufiger war er in Südamerika auf Posten. Urbi et orbi hat er also kennengelernt, bevor der Papst ihn zum Patriarchen auf dem Pulverfass machte.

Die diesjährige Christmette in Bethlehem könnte seine letzte sein. Im Oktober feierte Fuad Twal seinen 75. Geburtstag - in Rom bei der Synode zu Ehe und Familie. Wie jeder katholische Bischof ist er gehalten, dem Papst bei Erreichen dieser Altersgrenze den Rücktritt anzubieten. Seither ist manches zu vernehmen über einen Herbst des Patriarchen und vermeintliche Müdigkeit. In Jerusalem heben Nachfolge-Spekulationen an. Diskutiert wird auch darüber, ob die Kirche zu einem alten Brauch zurückkehrt: Bis zu Twals Vorgänger nämlich, also bis 1987, kamen die Jerusalemer Patriarchen nicht aus der Region, sondern aus Italien. Doch noch ist längst nichts entschieden, und zunächst einmal hat Fuad Twal noch eine Nachtschicht vor sich. Still dürfte diese Nacht kaum werden.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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