Profil:Dieter Kempf

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Dieter Kempf, der neue Industrie-Präsident. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Neuer oberster Industrielobbyist, ohne viel Erfahrung in der Industrie.

Von Michael Bauchmüller

Wenn sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) einen Chef schnitzen könnte, dann wäre er eines vermutlich nicht: so wie Dieter Kempf. Der 63-Jährige ist nämlich kein Sprössling einer Industriellenfamilie, hat weder Autos bauen noch Stahl gießen lassen, und Fabrikhallen mit lärmenden Maschinen und herumsausenden Robotern kennt er nur von der Werksbesichtigung. Stattdessen führte er ein Vierteljahrhundert lang eine Genossenschaft, die Steuerberater mit Software versorgt. Trotzdem haben die Mitglieder des BDI ihn jetzt zum Präsidenten gekürt.

Böse Zungen behaupten, es habe sich schlicht kein anderer gefunden, aber so einfach ist es nicht. Die Wahrheit: Mit Kempf hat der BDI mal etwas riskiert, nämlich eine unkonventionelle Führung. Er selbst, sagt der gebürtige Münchner mit verschmitztem Lächeln, habe lange darüber nachgedacht, "warum jemand, der aus der Dienstleistungsecke kommt, plötzlich einen Industrieverband führen soll". Wobei das mit der "Dienstleistungsecke" durchaus wörtlich zu verstehen ist. Denn angefangen hat Kempf als Hamburger-Verkäufer, 1971. Damals eröffnete die Fastfood-Kette McDonald's in München ihr erste deutsche Filiale. Und der künftige Cheflobbyist der deutschen Industrie zählte zu den ersten Mitarbeitern.

Geschadet hat ihm das nicht. Während er noch sein Betriebswirtschafts-Studium abschloss, arbeitete er sich zum Filialleiter hoch. 1978 wechselte er zum Vorläufer der Wirtschaftsprüfer-Firma Ernst&Young, 1991 schließlich zur Nürnberger Software-Genossenschaft Datev. 25 Jahre lang saß er dort im Vorstand, davon 20 Jahre als Chef.

Der Neue ist in vielerlei Hinsicht anders als seine 13 Vorgänger aus der Industrie, Leute wie der Stahlunternehmer Jürgen R. Thumann, der Baumanager Hans-Peter Keitel oder zuletzt Ulrich Grillo, Chef der familieneigenen Grillo-Werke. Und während Grillo stets hyperakkurat mit Einstecktuch und felsenfestem Scheitel auftrat, ist Kempf eher von der unprätentiösen Sorte. Dazu passt, dass er auf Motorräder steht und schon mal auf der Bühne zur Gitarre greift. Humor hat er auch.

Aber kann so einer den BDI führen? Leicht wird es nicht. Zum einen, weil die Industrielobby mit ihren vielen Unterverbänden wie ein Sack Flöhe ist; die Suche nach gemeinsamen Positionen dauert mitunter länger als beim Unions-Duo Merkel/Seehofer. Längst machen große Konzerne selbst Lobbyarbeit, was den Einfluss des BDI nicht stärkt. Zum anderen steckt der Verband im Umbruch: Im Frühjahr wechselt auch die hauptamtliche Führung. Womöglich hilft Kempf, dass er bis 2015 vier Jahre lang Präsident des Digitalverbands Bitkom war. In der Zeit lernte er auch den BDI von innen kennen. Folgerichtig sieht er darin seine Mission: den Verband ins digitale Zeitalter zu führen. Schließlich sei auch die Industrie inzwischen viel mehr als industrielle Fertigung. "Es gibt eine ganz gute Begründung für mich, den Job zu machen", sagt Kempf.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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