Profil:Dennis Muilenburg

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Der Boeing-Chef muss geradestehen für zwei fatale Flugzeugabstürze.

Von Jens Flottau

(Foto: N/A)

Von Dennis Muilenburg gibt es viele Bilder in sportlichem Outfit. Der 55-jährige Chef des Luft- und Raumfahrtkonzerns Boeing fährt leidenschaftlich gerne Rennrad. Er schwingt sich häufig frühmorgens vor der Arbeit zu Hause in Chicago auf das Rad und geht auch öfter mal mit Mitarbeitern auf Tour. Wenn er irgendwo auf der Welt unterwegs ist, dann packt er das Sportgerät in den Business-Jet, damit er auch in China oder Brasilien eine Runde drehen kann.

Seit 2015 steht Muilenburg an der Spitze des Unternehmens, genau 30 Jahre hat er für seinen Weg dorthin gebraucht. Seinen ersten Job bei Boeing in Seattle bekam er 1985 als College-Absolvent. Nun muss er eine der größten Krisen in der Geschichte des Konzerns bewältigen: Zweimal innerhalb von knapp fünf Monaten sind Maschinen des neuen Typs Boeing 737 Max 8 abgestürzt, bei bislang einem der Unfälle steht eine Flugsteuerungssoftware im Verdacht, die Katastrophe mitverursacht zu haben. 346 Menschen sind bei den beiden Unglücken von Lion Air und Ethiopian Airlines ums Leben gekommen. Ein Albtraum, und Muilenburg muss dafür geradestehen.

Mag Dennis Muilenburg durch seine Radtouren auch nahbar erscheinen, so führt er intern doch ein strenges Regiment, wie Mitarbeiter berichten. Im Laufe der vergangenen Jahre haben viele, die lange in der Führung von Boeing gearbeitet haben, das Unternehmen verlassen. Muilenburg hat sie alle durch Vertraute ersetzt. Seinem großen Widersacher aus Europa, dem Airbus-Chef Tom Enders, rutscht auch mal ein flapsiger Kommentar heraus, er ist dafür bekannt, öffentlich klar Position zu beziehen, wenn er es für nötig hält, egal, ob er damit aneckt. Muilenburg hingegen ist ein Meister der Kontrolle. Interviews klingen in der Regel, als seien sie bis ins Detail mit der Boeing-Rechtsabteilung abgestimmt worden. Was die Vorgänge rund um die 737 Max angeht, so hat Muilenburg die Kontrolle verloren - obwohl es noch keinen Hinweis dafür gibt, dass die beiden Unfälle tatsächlich ähnliche Ursachen haben könnten.

Nach dem Absturz der Lion Air Ende Oktober 2018 stellte Boeing Verbesserungen der Flugsoftware in Aussicht. Die Änderungen betreffen vielleicht nicht nur die Software, denn Auslöser der Katastrophe könnte ein defekter Sensor gewesen sein. Kritische Systeme sollten ihre Daten aber nie nur von einem solchen Gerät beziehen. Muilenburg muss nun erklären: Warum gab es kein zweites? Es steht auch die Frage im Raum, warum viele Piloten so wenig über die neue Flugsteuerung wussten. Es liegt der Verdacht nahe, dass Muilenburgs Konzern seinen Kunden teure Trainingskurse für Piloten ersparen wollte. Die US-Bundesluftfahrtbehörde FAA segnete das Vorgehen ab, und auch die Europäische Agentur für Flugsicherheit hatte offenbar damit keine Probleme.

Muilenburg war nicht persönlich für die Entwicklung der 737 Max verantwortlich. Boeing kündigte die neueste Generation des Kurz- und Mittelstreckenflugzeuges schon im August 2011 an, nachdem Konkurrent Airbus bei American Airlines alleine den Zuschlag für einen Großauftrag zu bekommen schien. Zu der Zeit war Muilenburg noch Chef der Verteidigungs- und Raumfahrtsparte. Erst vom Jahr 2013 an übernahm er mehr und mehr Verantwortung für das Gesamtunternehmen.

Der Druck auf Muilenburg, bei der Max schnell zu reagieren, ist groß. Am Mittwochabend empfahl Boeing ein vorübergehendes Startverbot für alle Flugzeuge der Reihe, es sei eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wie lange die Flotte am Boden bleibt, hängt vor allem von der Untersuchung des jüngsten Absturzes ab. In den USA jedenfalls dürfen die Maschinen, unabhängig von der Boeing-Empfehlung, vorerst auch nicht mehr fliegen. Und das, obwohl die Bande zwischen Staat und Konzern so eng ist. Auch das Telefonat, das Dennis Muilenburg am Dienstag mit Präsident Donald Trump führte, nutzte nichts mehr.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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