Profil:Charles Bowman

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Lord Mayor der City, der bald wenig Zeit für seine Schafe haben wird.

Von Björn Finke

Mit seiner Frau, einer Tierärztin, und den zwei Töchtern lebt Charles Bowman auf dem Land, in der Grafschaft Suffolk nordöstlich von London. Ihr Anwesen teilt die Familie mit Hunden, Hühnern, Ponys und einer kleinen Schafherde. Das ist ein ziemlicher Kontrast zum Bankenviertel der Hauptstadt mit seinen Glastürmen und verstopften Straßen, das der 55-Jährige von November an für zwölf Monate präsidieren wird. Am Wochenende ist er in das Amt des Lord Mayor der City of London gewählt worden.

Die Rede ist von dem nur eine Quadratmeile großen Altstadtviertel, eingeklemmt zwischen der Festung Tower und dem Bezirk Westminster. Bowman, der seit 1995 Partner bei den Wirtschaftsprüfern von PwC ist, steht als Lord Mayor der Verwaltung dieses Sprengels vor. Der gebürtige Londoner wird sich aber kaum mit Kommunalpolitik beschäftigen und stattdessen sehr viel mit dem Brexit. Die Square Mile, wie die City auch genannt wird, ist der Finanzdistrikt der Stadt - und der Lord Mayor darum der Cheflobbyist von Europas wichtigstem Bankenplatz.

In der City leben bloß 8000 Menschen, doch gut 450 000 arbeiten dort. Viele Banken, Versicherer und Fondshäuser bedienen von London aus Kunden auf dem ganzen Kontinent. Dank des Binnenmarktes müssen sie in den einzelnen EU-Ländern keine Genehmigungen einholen, die britische wird anerkannt. Fällt diese Regelung mit dem Brexit weg, müssten die Konzerne eine Lizenz in den verbleibenden EU-Staaten beantragen - dafür werden sie wohl Abteilungen und viele Tausende Jobs dorthin verlagern.

Die Branche will das noch verhindern. Bowman sagte nach seiner Wahl, er werde sich "für einen Brexit einsetzen, der für die Firmen in der City funktioniert". Darüber werde er regelmäßig mit der Regierung sprechen. Und nicht nur mit der britischen: Ein Lord Mayor verbringt drei seiner zwölf Monate Amtszeit auf Reisen im Ausland, um dort für die Finanzbranche zu werben. Die City of London Corporation - so heißt die Kommunalverwaltung - hat ausgerechnet, dass der Lord Mayor in dem einen Jahr im Durchschnitt 800 Reden hält und pro Monat ein Staatsoberhaupt trifft.

Beim festlichen Abendessen zur Amtseinführung wird die konservative Premierministerin Theresa May sprechen. Der Posten des Lord Mayor ist jedoch überparteilich. An den Kosten seiner Empfänge und Bankette muss sich Bowman beteiligen: Der Lord Mayor zahlt den Rotwein, nach alter Sitte aber nicht den Weißwein. Vor Bowman hatten 687 Männer und zwei Frauen das Amt inne; es existiert seit 1189.

Unwesentlich jünger ist die Tradition der Lord Mayor's Show, sie datiert von 1215. Direkt nach Antritt des Postens im November wird Bowman mit einer goldverzierten Kutsche durch die Innenstadt zuckeln, als Teil einer Prozession mit mehr als 7000 Teilnehmern, darunter Orchestern und Zunftgruppen. Pomp und Gloria für den Bankenlobbyisten.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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