Profil:Burkhard Jung

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(Foto: Sebastian Willnow)

Der Leipziger Oberbürgermeister entfaltet gesamtdeutsche Strahlkraft.

Von Cornelius Pollmer

Eine Zeit lang wurde die Stadt Leipzig so oft als das neue oder sogar bessere Berlin ausgerufen, dass der Autor André Herrmann ihr irgendwann in verbaler Notwehr den Beinamen "Hypezig" gab. So unsinnig der Vergleich mit Berlin in Gänze immer gewesen ist, so hübsch sind die dann doch existierenden Parallelen. Sie können einem bewusst werden in der Person von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, 61, der an diesem Donnerstag als erster Vertreter einer ostdeutschen Kommune zum Präsidenten des Deutschen Städtetags gewählt werden dürfte.

Seit 13 Jahren regiert der Sozialdemokrat Jung im Rathaus, und er tut dies als eine Art Wowereit von Leipzig. Jung kann dort erlebt werden als ein ausgehfreudiger erster Bürger seiner Stadt, und er schafft es auf geheimnisvolle Weise, ständig mit den Erfolgen dieser Stadt in Verbindung gebracht zu werden, kaum jedoch mit ihren Schwächen. Jung wird assoziiert mit dem Bevölkerungswachstum in Leipzig, in diesem Herbst dürfte die Zahl von 600 000 Einwohnern erreicht werden. Er wird assoziiert mit vielen Ansiedlungserfolgen, mit Porsche und BMW, Schenker und DHL. Dass es an Schulen und Kitas fehlt, dass die Mieten auch in Leipzig steigen, dass ein wesentlicher Teil der Arbeitsplätze entweder mies bezahlt oder schnell verlagerbar ist oder beides? Damit wird Jung nicht so sehr in Verbindung gebracht.

Wie sehr die Stadt Leipzig von Burkhard Jung profitiert hat, ist gar nicht so leicht zu sagen. Wie sehr Burkhard Jung von der Stadt Leipzig profitiert hat? Den Glanz ihrer Dynamik weiß er jedenfalls klug für sich zu nutzen, und er ist nicht das erste Glück, das Leipzig ihm beschert.

Geboren im westfälischen Siegen, kam Jung nach einem Lehramtsstudium schon 1991 nach Leipzig, um dort als Leiter das Evangelische Schulzentrum mit aufzubauen. Wolfgang Tiefensee holte ihn 1999 zur Stadt, ein Jahr darauf wurde Jung Mitglied der SPD. Als Beauftragter für die Leipziger Olympiabewerbung zeichnete er verantwortlich für umstrittene Provisionszahlungen und wurde von Tiefensee schließlich beurlaubt. Er musste sich einem Disziplinarverfahren stellen. Als der damalige OB Tiefensee aber ins Bundeskabinett berufen wurde, profitierte der längst auf seinen Dezernentenposten zurückgekehrte Jung und wurde zu dessen Nachfolger gewählt.

Jung wurden immer wieder andere Ambitionen nachgesagt, im Grunde aber fällt es schwer, sich ein schöneres, ausbalanciertes Paket aus Arbeit und Leben für ihn vorzustellen als jenes, das er noch immer in Leipzig vorfindet. Jung ist in zweiter Ehe kurz vor Weihnachten noch einmal Vater geworden, zu seinem 61. Geburtstag im Frühjahr schenkte die kleine Tochter der Familie erstmals wieder sechs Stunden Nachtschlaf am Stück. Seiner Arbeit geht Jung inzwischen mit einiger Routine nach, und er hat doch eine gegenwärtige Erzählung anzubieten. Leipzig, sagt er, sei "die erste gesamtdeutsche Stadt", ein "Positivbeispiel, wie ein Gesamtdeutschland funktionieren könnte".

Tatsächlich hat Leipzig den höchsten Anteil an ausländischen Bürgern aller Städte im Osten außerhalb Berlins, mehr als die Hälfte seiner heutigen Einwohner lebten 1989 woanders. Anders als das oft knochige Dresden hat Leipzig eine agile studentische und junge Szene in Kultur und Gesellschaft, auch dies ist ein Grund dafür, dass der Leipziger Ableger "Legida" nie die Größe seines Dresdner Vorbildes "Pegida" erreichte.

Und trotzdem ist Leipzigs Inselstatus im politisch bewegten Sachsen nicht gesichert. Burkhard Jungs Amtszeit auf dieser Insel endet im Frühjahr des nächsten Jahres, er wird erneut kandidieren. Warum? "Ich bin noch nicht fertig, ich habe Kraft", sagt Jung. Und, dass er glaube, es sei nicht die Zeit, "das Feld den Rückwärtsgewandten zu überlassen. Ich möchte für eine offene, freie, bunte Gesellschaft streiten".

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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