Profil:Barack Obama

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(Foto: Getty)

Der Ex-Präsident ist nun pragmatischer Prophet und noch Idol vieler Deutscher.

Von Christian Wernicke

Er ist wieder da. ER. Als träte der Messias in Köln leibhaftig auf die Bühne, so huldigten am Donnerstagabend 14 000 Zuschauer ihrem Idol Barack Obama. Und auch in Berlin, wo der 44. US-Präsident am Freitag seine "Freundin Angela Mörkel" traf, schürte der Besucher warm-wohlige Gefühle. Dieser schöne, smarte Mann mit dem sanften Lächeln weckt Erinnerungen an bessere Zeiten. An eine Ära, die viel länger vergangen zu sein scheint als die nur 27 Monate, da er das Weiße Haus räumen und Platz machen musste für Donald Trump. Egal ob jung oder alt - sobald Deutsche ihren Obama ausmachen, denken sie an Gutes. Sie verdrängen den Donald, vergessen sogar Brexit und AfD. Oder den Grindel vom DFB.

Obama ist nicht mehr Politiker. Aber er bleibt Kult, ist wieder globaler Popstar. Der 57-Jährige weiß das. Der Mischung aus Verklärung und Verehrung begegnet er gelassen. Cool eben. Er macht sich rar, spricht leise, wie es sich für einen Ex-Präsidenten gehört. Eigentlich. Nur als er im vergangenen Oktober im Kongress-Wahlkampf den Republikanern (und implizit Trump) vorwarf, sie würden "hemmungslos und schamlos lügen", da brach er mit dem ungeschriebenen Gesetz, sich als Ex nicht in die Politik und schon gar nicht in das Treiben des Nachfolgers einzumischen. Diese Regel gilt, zumal bei Auftritten im Ausland.

Dennoch, auch am Rhein konnte Obama der Versuchung nicht widerstehen. Dieser ergraute Menschenfischer weiß, was jedes Publikum in Westeuropa von ihm erwartet. Der Wortkünstler lächelt und beginnt auf der Bühne den verbalen Balanceakt: Nie kommt ihm Trumps Name über die Lippen während seines sechsstellig honorierten Auftritts beim "Weltführungs-Kongress" in der Kölner Arena. Aber alle wissen, wer gemeint ist, wenn Obama jeden Leader auf Erden ermahnt, er "müsse sich fokusieren auf das, was er tun will - und nicht auf das, was er sein will." Denn was nützten Macht und Karriere, "wenn du da ankommst und nicht weißt, was du damit anfangen sollst?"

Gewissermaßen ist Obama für die Deutschen wieder das, was er vor zwölf Jahren schon einmal war: das Antlitz eines anderen Amerikas, eben "hope" und "change". Die Hoffnung auf Wandel zielte damals gegen den Irakkriegs-Präsidenten George W. Bush, heute nährt Obamas Charisma den nostalgischen Traum von einer mit Ratio regierten Welt - ohne Trumps, am liebsten auch ohne die Putins und Erdoğans.

Vergessen scheint zu sein, welch radikal-pragmatischer Realpolitiker Obama als Präsident war. Nur zwei Beispiele: Es war dieser "Commander in Chief", der mehr US-Drohnen denn je aufsteigen ließ, um in Asien, Arabien oder Afrika mutmaßliche Terroristen zu töten; und unter Obamas Präsidentschaft erlebte Amerika (per Fracking) einen ungezügelten Boom seiner Erdölproduktion. Obama ist ein Hyper-Realo, bis heute: Eindringlich warnte er neulich die neuen linken Kongressabgeordneten der Demokraten vor Plänen für eine staatliche Krankenversicherung oder für ein grünes Investitionsprogramm. Zu teuer, zu kühn. Nur gibt es wohl niemanden auf der Welt, der Maß und Mitte wie ein Prophet und als himmlische Erleuchtung verbreiten kann.

Obama scheint mit sich im Reinen zu sein. Und er tut, was er kann. Allein mit ihren Memoiren verdienen seine Frau Michelle und er 65 Millionen Dollar, seine Stiftung gibt viel Geld aus, um weltweit junge "Leader" zu fördern. Hunderte von ihnen will er am Samstag in Berlin treffen.

Er wird sie anspornen zu Toleranz, zu Offenheit. Wie in Köln. Da hat ER als "Emanzipator" gefordert, Frauen sollten "lauter sprechen" - und Jungs "ab und an den Mund halten". Und er warnte vor all jenen, die neue Mauern bauen und die Welt wieder spalten in "us and them", in "wir" gegen "die da". Das sei, so Barack Obama, "eine Story aus einer Zeit, als wir Affen waren". Überflüssig zu sagen, wie der Affe heißt.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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