Profil:Axel Schweiger

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(Foto: Florian Peljak)

Unermüdlicher ehrenamtlicher Gastgeber bei der Münchner Tafel.

Von Jan Bielicki

Er wird auch an diesem Freitag wieder vor den Lagergebäuden der Münchner Großmarkthalle stehen, und am Samstag auch. Sechs Grad sowie Regen hat der Wetterbericht prognostiziert, "das ist nicht schlimm", sagt Axel Schweiger, "wir sind immer da". Ob bei 17 Grad minus im Winter oder bei 40 Grad Hitze im Sommer, "wir", sagt der Mann mit dem weißen Vollbart, "haben seit 23 Jahren keine einzige Verteilaktion ausfallen lassen". Wir - damit meint er die Helfer der Münchner Tafel, die täglich außer Sonntag unverkäufliche Lebensmittel bei Großhändlern, Supermärkten, Gaststätten und Geschäften einsammeln und an Bedürftige weitergeben, an "die Gäste"; so seine Kundschaft zu nennen, darauf legt Schweiger großen Wert.

Der 60-Jährige ist einer von 650 Helfern der Tafel in München und einer von Tausenden Ehrenamtlern im bundesweiten Netz der Tafel-Bewegung, die seit ihren Anfängen in den Neunzigern zu einem wahren Wohlfahrts-Riesen mit 900 örtlichen Tafeln angewachsen ist. An 20 000 Menschen verteilen er und seine Mithelfer in der Hauptstadt des reichen Bayern jährlich 6,2 Millionen Tonnen Lebensmittel, die andernfalls im Müll gelandet wären. Bundesweit versorgen die Tafeln 1,5 Millionen Arme, der Anteil der alten Leute daran hat sich nach Angaben des Dachverbands in zehn Jahren verdoppelt. "Die Altersarmut ist im Kommen", sagt Schweiger.

Wenn in die beiden Verteilstationen, die er leitet, an einem Nachmittag mehr als 500 Menschen kommen, sieht er sie alle: die alten Frauen, die wenig Rente haben, weil sie einst Kinder aufgezogen und nur Teilzeit gearbeitet haben, immer mehr Flüchtlingsfamilien, aber auch Akademiker, die aus gut bezahlten Berufen kippten, weil sie erkrankt waren - oft psychisch -, oder einstmals Reiche, die ihr Vermögen in der Bankenkrise verloren. "Ich kenne die meisten meiner Gäste", sagt Schweiger. Ein offenes Ohr, Respekt und Wertschätzung anzubieten, sei in der Arbeit der Tafeln fast noch wichtiger als das Verteilen der Nahrungsmittel: "Die Armen, die zu uns kommen, leiden ja nicht Hunger."

Schweiger, einst im Management einer Versicherung und in anderen Firmen tätig, stieß vor fünf Jahren zur Tafel, als er selbst früh aus dem Berufsleben fiel und sich fragte: "Hat sich unser Globus positiv verändert?" Eher nicht, deswegen wollte er etwas tun und organisiert nun als Personalleiter der Münchner Tafel die Ehrenamtler - und zwar selbst ehrenamtlich. Sein Motiv: "Die Stärkeren haben die Pflicht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben."

Privat ist der Tafel-Organisator durchaus ein politischer Mensch. Er hat ein Projekt gegründet, das Flüchtlingen bei der Integration helfen will - "obwohl das von der Politik nicht mehr erwünscht zu sein scheint". Und er rührt sogar in einer Partei mit, einer freilich sehr kleinen Politminuskel namens "Mut". Die Tafeln jedoch, das betont Schweiger, äußern sich nicht politisch: "Wir sind für alle da" - jedenfalls für die, die es nötig haben.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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