Pro Bewährung:Angemessene Güte

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Die Rechtsstaatlichkeit gebot es, dass der frühere Frankfurter Polizei-Vizepräsident Daschner im Mordfall Metzler bestraft werden musste. Das Urteil fiel allerdings zu Recht milde aus.

Von Paul Katzenberger

Die Realität hält immer wieder Konstellationen bereit, für die nicht einmal das ausgefeilteste Rechtssystem eine Antwort parat hat. Der Fall Wolfgang Daschner ist eine solches Zusammentreffen von Umständen.

Es darf als erwiesen gelten, dass der frühere Frankfurter Polizei-Vizepräsident bei seinen Ermittlungen die Toleranzgrenze überschritt, indem er dem tatverdächtigen Mörder Magnus Gäfgen Folter androhen ließ.

Gleichzeitig konnte Daschner aber auch glaubhaft vermitteln, dass er ausschließlich auf Grund höchst lauterer Motive für die radikalen Ermittlungsmaßnahmen entschieden hatte: Mit der Folterandrohung hoffte er, das Leben des Bankierssohnes Jakob von Metzler retten zu können.

Folter nicht tolerierbar

Das Frankfurter Landgericht war bei seiner Entscheidungsfindung wohl einer vergleichbaren Zwangssituation ausgesetzt wie Daschner selbst. Stand dieser auf der einen Seite unter extremen Handlungsdruck, musste das Gericht andererseits die Staatsräson im Auge behalten. Und die bedeutet, dass ein Rechtsstaat Folter nicht tolerieren darf, selbst wenn die Umstände die Marter eines Menschen zu rechtfertigen scheinen. Denn würde die erwiesene psychische oder körperliche Peinigung im Zuge von Ermittlungen auch nur ein einziges Mal straffrei bleiben, so wäre dieser Praxis in Zukunft wohl immer wieder Tür und Tor geöffnet. Daschners Verstoß musste also juristisch geahndet werden.

Diese nachvollziehbare Argumentation bleibt für jeden Humanisten allerdings unbefriedigend. Denn was nützt die Staatsräson, wenn ein Menschenleben gerettet werden muss und die Folter auf Grund des hohen Zeitdrucks als einziger Ausweg erscheint? Den Opfern zumindest sehr wenig.

Kein unangreifbarer Ausweg

Aus humanistischen und moralischen Erwägungen heraus kann Daschner daher noch nicht einmal der eindeutige Vorwurf gemacht werden, er habe falsch gehandelt. Vielmehr war er in eine Zwangslage geraten, für die es keinen unangreifbaren Ausweg gab. Daschner hatte deshalb auch ein Recht auf Straffreiheit.

Da die Angelegenheit also aus zwei sich ausschließenden - aber gleichermaßen berechtigten - Blickwinkeln zu beurteilen war, hatte das Landgericht Frankfurt gewiss keine leichte Aufgabe zu lösen. Umso erfreulicher ist es, dass dem Gericht ein verantwortungsvoller Kompromiss gelungen ist: Die Rechtsstaatlichkeit bleibt unbeschädigt, weil Daschner formal verwarnt wird. Dem verantwortungsvoll handelnden Polizeibeamten Daschner wird Genüge getan, indem er in den Genuss der milden Seiten des deutschen Rechtsstaates kommt.

© sueddeutsche.de vom 20.12.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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