Präsidentschaftswahl in Frankreich:Ende der Wahlkampf-Diät

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Sarkozys Herausforderer Hollande eröffnet die Feindseligkeiten gegen den Präsidenten. Schwachstellen in dessen Regierungszeit zu finden, ist leicht. Schwerer dürfte es Hollande fallen, ein Gegenprogramm aufzustellen, mit dem Frankreichs zerstrittene Linke leben kann.

Stefan Ulrich, Paris

Nachdem François Hollande im Oktober triumphal zum Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten gewählt worden war, kündigte er an, eine "mediale Diät" einzulegen. Er hielt Wort. Im November und Dezember war von dem leutseligen, sanften Monsieur Hollande kaum etwas zu hören. Während der konservative Präsident Nicolas Sarkozy Frankreich und Europa durch die Euro-Krise steuerte, wurde Hollande sogar im linken Lager mit dem "Kapitän eines Paddelbootes" verglichen. Die Sozialisten wurden nervös. Die Diät bereitete ihnen Bauchgrimmen.

Der Sozialist François Hollande will im Wahlkampf sein Pudding-Image loswerden. (Foto: AFP)

Nun liefert Hollande den französischen Genossen - sie nennen sich selbst "Kameraden" - endlich nahrhafte Wahlkampfkost. In einer langen Erklärung an die Bürger, die die Libération am Dienstag abdruckte, eröffnet er die Feindseligkeiten mit Sarkozy. Dieser habe sich als Präsident der Privilegierten erwiesen, der viel geredet und wenig getan habe, schimpft Hollande. Frankreich sei ein erniedrigtes, geschwächtes und abgenutztes Land geworden.

"Überall herrschen wirtschaftlicher Niedergang und soziale Ängste, nirgends gibt es Vertrauen." Dafür sei der Mann persönlich verantwortlich, der seit fünf Jahren an der Spitze des Staates stehe. Die Sozialisten wirken erleichtert. Die quälende Zwischenzeit nach der Vorwahl hat ein Ende. "Nun beginnt der wahre Kampf", freut sich der Kampagnenchef Pierre Moscovici. Die Zeitung Le Monde prophezeit sogar: "Die Zeit des Blitzkrieges ist da."

Hollande weiß, dass er vom Image des freundlichen Zauderers loskommen muss, wenn er im Frühjahr wirklich zum ersten sozialistischen Präsidenten seit François Mitterrand werden will. Zwar liegt er in den Meinungsumfragen seit Monaten weit vor Sarkozy, doch die Franzosen trauen ihm durchaus zu, diesen Vorsprung zu vertändeln.

Das linke Lager ist zwischen moderaten und ideologischen Sozialisten, radikalen Linken und Grünen gespalten. Und der Hoffnungs- und Brillenträger Hollande lächelt bei seinen Auftritten gern so verstört, als würde ihm gerade einfallen, dass er zu Hause den Herd angelassen hat. Als "Flanby" - so heißt ein Karamellpudding - wird Hollande gern verspottet. Kann er der Kapitän des neuen Frankreichs sein? Das muss er noch beweisen.

Hollande will sein Pudding-Image ablegen

In den kommenden Wochen wird der Kandidat Auftritte in vielen Städten und auf dem Land haben. Er möchte sich den Bürgern als Mann zum Anfassen präsentieren, im Gegensatz zu einem Sarkozy, den er als abgehoben und arrogant bezeichnet. Hollande will sein sympathisches Herr-Jedermann-Image zu einem Trumpf im Wahlkampf machen.

Zum anderen Trumpf soll die Bilanz Sarkozys werden. Die Sozialisten wollen acht Millionen Flugblätter verteilen, in denen sie die Misserfolge des Präsidenten aufspießen: hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Kaufkraft, Schulden, Niedergang der Schulen, soziale Verwahrlosung, Kriminalität. "15 Ziffern des Scheiterns" haben die Sozialisten zusammengetragen.

Nun ist es leicht, Schwachstellen in Sarkozys Regierungszeit zu finden. Schwerer dürfte es werden, ein Gegenprogramm aufzustellen, mit dem die gesamte Linke leben kann. Hollande möchte es auf die Themen Jugend, Re-industrialisierung, Steuergerechtigkeit und Euro-Rettungsprogramm konzentrieren.

Die Streitereien im linken Lager über die Zukunft der Kernenergie und eine Rückkehr zur Rente mit 60 haben ihm allerdings bereits gezeigt, wie riskant es ist, sich auf die Sachthemen einzulassen. Manche Sozialisten raten ihm daher, es wie der Spanier Mariano Rajoy zu machen und im Wahlkampf möglichst vage zu bleiben. Doch damit würde Hollande sein Pudding-Image nähren. Die Wähler aber haben Appetit auf mehr.

© SZ vom 04.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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