Von Recep Tayyip Erdoğan stammt der bedenklichste Satz, der im Zusammenhang mit der Welle von Festnahmen von Anhängern des Predigers Fethullah Gülen in der Türkei gefallen ist. Der Präsident spricht von einem "Land im Süden", das verantwortlich sei für Gülens angebliche Verschwörertätigkeit in der Türkei. Welches Land er dabei wohl im Blick hat, ist nicht schwer zu erraten: Israel.
Damit wird die Sache richtig gefährlich. So erklärt Erdoğan nicht nur die Gülen-Leute zu Feinden, er macht auch noch die jüdische Minderheit zur Zielscheibe. Zuletzt gab es immer wieder Schmierereien an Synagogen, viele der nur noch etwa 30 000 Juden in der Türkei denken an Auswanderung. Erdoğan hatte nach der Präsidentenwahl im August eine "neue Türkei" versprochen. Wie es aussieht, ist dies ein Land, das sich auf Dauer mit einer Vielzahl von Feindbildern einrichten soll.
Ein neuer, nun sunnitisch und nicht mehr kemalistisch eingefärbter Nationalismus aber kann der Türkei nur schaden. Die Vorwürfe gegen die festgenommenen Journalisten, sie hätten eine bewaffnete Putsch-Organisation gegründet, sind absurd. Die Redakteure haben an der Regierung in ihren Kommentaren zuletzt zwar kein gutes Haar gelassen. Aber sie haben die Auseinandersetzung nicht mit Pistolen und Kugeln geführt, sondern mit dem Kugelschreiber und der Tastatur. Das muss jede Regierung aushalten.