Posse um SVP-Wahlkampfsong:Chorknaben für das Schweizer Paradies

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Der neue Wahlkampfsong der rechtskonservativen SVP besingt die Schweizer Idylle. Doch das sorgt für Spott - und jede Menge Ärger.

Von Yannick Nock

Er nennt sich Tell (ja, wie der Volksheld), er besingt die Schweizer Eigenständigkeit (natürlich) und er spielt auf einer schwarz-weiß gefleckten Handorgel (ja, sie gleicht einer Kuh). Wenn Volksmusiker Willy Vogel alias Willy Tell nicht schon seit 30 Jahren Musik machen würde, man könnte glauben, der Mann sei einem SVP-Plakat entsprungen. Der Sänger ist die neueste Waffe der rechtskonservativen Partei. Für die SVP hat der Volksmusiker einen Wahlkampfsong komponiert. "Wo e Willy isch, isch ou e Wäg" (Wo ein Willy ist, ist auch ein Weg), heißt die Hymne, die der stärksten Schweizer Partei bei den Nationalratswahlen im Oktober noch mehr Stimmen bringen soll.

Der Videoclip zeigt ein vollkommenes Schweizer Idyll, wie es nur in Köpfen von Touristen existiert - und in den Träumen der SVP. Ausländer sind nicht zu sehen, Vertreter anderer Religionen schon gar nicht. Multikulti hat hier keinen Platz. Stattdessen werden Luftaufnahmen der Berge präsentiert, Hundewelpen (namens Willy) tapsen der Kamera entgegen, und natürlich haben auch grasende Kühe ihren Auftritt. Begleitet wird Willy Tell von einem einzigartigen Chor: Fast sämtliche Parteigrößen der SVP krächzen fröhlich den Schunkelsong.

Parteipräsident Toni Brunner hält einen riesigen Plüschhund hoch (wieder Willy) und zwinkert in die Kamera. Auch Bundesrat Ueli Maurer, Verteidigungsminister der Schweiz, gibt gerne den Chorknaben im Dienste der Eigenständigkeit. Einer darf natürlich nicht fehlen: SVP-Übervater Christoph Blocher. Er legt sich besonders ins Zeug - Blocher singt nicht nur am lautesten, sondern untermauert auch jede Strophe mit kräftigen Handbewegungen.

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:Er liefert den Rechten die passenden Bilder

Schwarze Schafe, bedrohliche Minarette, rote Ratten: Für die rechtskonservative Schweizer SVP hat der Deutsche Alexander Segert umstrittene Kampagnen entworfen. Heute machen rechte Gruppen auf der ganzen Welt mit seinen Plakaten Stimmung gegen Ausländer.

Von Yannick Nock

"Prämiengelder gefälligst anders einsetzen"

Den Enthusiasmus der SVP-Größen teilen andere nicht. Die Gemeinde Sursee und die Krankenkasse Concordia sehen im Videoclip kein Idyll sondern einen Imageschaden. Im Willy-Video sind die Logos von Sursee und Concordia zu sehen, gekennzeichnet als "Sponsor". Ein Fehler, denn keiner der beiden unterstützt die Partei. Vielmehr übernahm die SVP einfach Videosequenzen von der Jubiläumsfeier "600 Jahre Sursee bei Luzern", bei der Willy Tell auftrat - und die von Sursee und Concordia gesponsert wurde.

Mehrere Kunden hätten sich beschwert, die Krankenkasse solle ihre Prämiengelder gefälligst anders einsetzen, sagt ein Concordia-Sprecher dem Nachrichtenportal 20 Minuten. Die Gemeinde Sursee drohte der SVP sogar mit Anzeige, sollte sie das Logo nicht aus dem Video entfernen. Dem kam die Partei mittlerweile nach.

Tumulte am Zürcher Hauptbahnhof

Es war nicht die einzige Reaktion, die für Negativschlagzeilen sorgte. Selbst im eigenen Lager regt sich Widerstand. In der Zeitung Blick beschwert sich der Zürcher SVP-Präsident Alfred Heer über den Clip. Er weigerte sich als einer der wenigen Parteigrößen, darin aufzutreten. "Das Lied und der Plüschhund sind doch eher gaga und eine Trivialisierung", sagt er. Der Clip versperre den Blick auf die wichtigen Themen.

Gar zu Tumulten war es kurz nach Veröffentlichung des Songs Ende Juli gekommen. 50 Linksautonome stürmten eine Wahlveranstaltung am Zürcher Hauptbahnhof, bei der Willy Tell seine Kuhfell-Handorgel auspackte. Die Polizei musste zur Rushhour Tränengas einsetzen, eine Person wurde verletzt, fünf verhaftet. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zogen Konsequenzen und zwingen künftig die Parteien, selber für die Sicherheit auf Wahlveranstaltungen an Bahnhöfen zu sorgen. Selbst der Willy fand in Zürich keinen Weg, die Show fortzusetzen.

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