Posse Carstensen/Stegner:Neurotische Kombination

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Warum Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen und SPD-Landeschef Stegner vor Gericht über ein Telefongespräch streiten.

Jens Schneider

Diese beiden haben schon viele eigenartige Sätze übereinander gesagt. Und nichts davon war lustig, auch wenn Peter Harry Carstensen gern wie ein schelmenhafter Großvater grinste, wenn er mal wieder eine böse Bemerkung über Ralf Stegner vom Stapel gelassen hatte, und die letzte Bemerkung des schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten in einer launig gemeinten Rede zum Aschermittwoch fiel.

Im Verhältnis der beiden dürfte die einzig komische Aussage eine Feststellung von SPD-Landeschef Stegner aus dem vorigen Sommer sein. Als die große Koalition in Kiel zerbrach, behauptete Stegner beharrlich, dass es nicht um eine persönliche Fehde, sondern um einen politischen Streit gegangen sei.

Die Fehde ruht nicht

In Kiel würden sich heute viele wünschen, dass es so gewesen wäre. Doch sechs Monate nach der Landtagswahl, die Carstensen die schwarz-gelbe Mehrheit und seinem Antipoden Stegner einen Karriere-Knick brachte, können die beiden ihre Fehde nicht ruhen lassen. An Freitag zündeten sie vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts die nächste Eskalationsstufe.

Sogar ein Aufgebot an Spitzenpolitiker kam aus Kiel nach Hamburg. So sollten CDU-Innenminister Klaus Schlie und Fraktionschef Christian von Boetticher einen Vorgang bezeugen, den Carstensen behauptet und den Stegner als Angriff auf seine Ehre ansieht. Zumindest für die Öffentlichkeit sieht es aus, als ob es diesmal Carstensen war, der einen heftigen Hieb auf Stegner setzen wollte, der in der in Teilen der SPD als Chef auf Abruf gilt, geduldet nur, bis ein besserer kommt.

Am Aschermittwoch hatte Carstensen in seiner Rede über Stegner geätzt und ein in Kiel längst legendäres Telefonat vom September 2007 erwähnt. Dieses Telefongespräch war ein erster trauriger Höhepunkt der "neurotischen Beziehung dieser beiden Männer, die nicht über sich selbst hinausgucken können", wie die Fraktionschefin des Südschleswigschen Wählerverbunds, Anke Spoorendonk, sagt, die beide seit langem kennt.

Brisantes Telefonat

In jenem September stellte Carstensen nach Monaten des Dauerstreits in der großen Koalition den damaligen Innenminister Stegner, den er als Stänkerer sah und nicht mehr ertragen wollte, vor die Wahl: Er solle das Kabinett verlassen oder er würde entlassen. Bei jenem Telefonat in aufgeheizter Stimmung hörten 25 Spitzenpolitiker der CDU mit. Damals habe Stegner, so Carstensen am Aschermittwoch, ihn gebeten, daran zu denken, dass er noch wenige Monate brauche, um Ansprüche auf die Ministerpension zu erhalten.

Die Aussage fand damals wenig Beachtung. Erstens war über dieses Telefonat schon 2007 viel kolportiert worden. Zweitens ignorierten die meisten Medien in Kiel den Vorgang zunächst bewusst. Für sie war es, als ob eine Leiche aus einem trüben Moor ans Tageslicht kam, die alle lieber vergessen wollten. Doch Stegner ist keiner, der so etwas leise vermodern lässt. Er verlangte empört eine Entschuldigung für den "unanständigen Angriff" und machte die Geschichte richtig bekannt, als er Carstensen rechtliche Schritte androhte. Der tat ihm den Gefallen und wiederholte seine Darstellung. Also setzte Stegner eine einstweilige Verfügung durch, die Carstensen wiederum nicht hinnehmen wollte. Nach seinem Widerspruch traf man sich nun vor Gericht, jetzt mit viel Publikum. Von zwei Mimosen, die beide gern austeilen, sprach die Oppositionspolitikerin Spoorendonk vor dem Prozess deprimiert. "Das ist peinlich. Sie fangen da wieder an, wo sie im September aufgehört haben."

Richter Andreas Buske empfahl vergeblich eine gütliche Einigung. Man solle das ganze als Missverständnis betrachten. Das Gericht wolle sich nicht vorstellen, dass es vom Ministerpräsidenten oder dem SPD-Chef belogen werde. Wenig überraschend mochten sich die Parteien aber nicht einigen und stiegen in ein Verfahren ein, das schon deshalb schwierig sein musste, weil die Zeugen auf Carstensens Seite zwar dessen Telefonat mitverfolgt hatten, aber dabei nicht hörten, was Stegner sagte. Sie konnten also nur bezeugen, wie sie hörten, dass Carstensen Stegner empört fragte, ob er im Angesicht des Amtsverlusts nun über seine Pensionsansprüche reden wolle.

Diese Aussage Carstensens bestritt Stegner gar nicht. Aber er selbst habe das Thema gar nicht angesprochen, sagte er vor Gericht. Überhaupt habe er damals längst Anspruch auf eine Pension als Staatssekretär gehabt, auch brauchte er keine weiteren Monate für die Ministerpension. Die Zeugenvernehmung ging in den Abend hinein. Am Ende konnten die beiden nur einen Vergleich schließen. Darin sagten Carstensen und Stegner einander zu, sich öffentlich nicht mehr zu der Frage zu äußern, ob Stegner am 17. September am Telefon seine Pensionsansprüche thematisiert hat.

© SZ vom 6.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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