Portugal:Krise mit Ansage

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Hat er sich gründlich verrechnet? Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, hatte darauf gesetzt, dass das Parlament einig würde über den Haushalt. (Foto: Pedro Nunes/Reuters)

Präsident Marcelo Rebelo de Sousa wollte die Parteien mit der Androhung von Neuwahlen zur Vernunft bringen. Nun hängt die Zukunft des Landes davon ab, ob er zu seinem Wort steht.

Von Karin Janker, Barcelona

Für Portugals Strahlemann war es eine düstere Woche. Normalerweise unterhält der portugiesische Präsident seine Landsleute mit Auftritten, bei denen ihn vor allem seine Leutseligkeit und seine Lässigkeit auszeichnen. Marcelo Rebelo de Sousa, der von den Portugiesen nur "Marcelo" genannt wird, zeigt sich gern in Badehose am Strand, präsentiert seinen 72-jährigen durchtrainierten Oberkörper beim Impftermin und marschierte einst zu Fuß zu seiner Vereidigung. Klare Botschaft: Dieser Präsident ist lässig - und hat dennoch alles im Griff.

Doch spätestens seit einer Woche zeichnet sich ab, dass Rebelo de Sousa sich verkalkuliert hat. Portugals Staatspräsident ist mitverantwortlich für eine politische Lage, für die das üblicherweise gebrauchte Wort "Regierungskrise" fast harmlos erscheint. Portugals linke Minderheitsregierung, die das Land überraschend stabil durch die vergangenen Monate der Corona-Krise geführt hat, ist so gut wie am Ende. Bis Donnerstagabend hat Präsident Rebelo de Sousa eine Entscheidung darüber angekündigt, ob er wirklich das Parlament auflösen und damit eine Neuwahl notwendig machen wird.

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So dürfte es kommen - vorausgesetzt der Präsident steht zu seinem Wort. Und eben dies ist die Zwickmühle, in die Marcelo Rebelo de Sousa sich manövriert hat: Noch bevor die Verhandlungen über den Staatshaushalt des kommenden Jahres abgeschlossen waren, machte Rebelo de Sousa Mitte Oktober eine folgenschwere Ankündigung. Sollte Regierungschef António Costa keine Mehrheit für seinen Haushaltsentwurf bekommen, würde er, Marcelo, nicht zögern, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Rebelo de Sousa wollte damals Druck auf die linken Parteien ausüben, sich doch noch zu einigen. Doch funktioniert hat das nicht. Der Schuss sei nach hinten losgegangen, schreibt die Wochenzeitung Expresso, auch wenn dies zum damaligen Zeitpunkt wohl niemand erwartet habe.

Premier Costa ist stolz, er hat das Land von Austerität zu Solidarität geschifft

Am vergangenen Mittwochabend ist eingetreten, was Rebelo de Sousa verhindern wollte: Costas Ausgabenplan fürs kommende Jahr ist im Parlament durchgefallen. Nur die 108 sozialistischen Abgeordneten stimmten für den Haushalt, 117 Abgeordnete stimmten dagegen, fünf enthielten sich. Linksblock, Kommunisten und Grünen waren Costas Pläne nicht sozial genug, sie wollten mehr Geld, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Costa plante zwar unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns um 40 Euro auf 705 Euro im Monat und eine Rentenerhöhung - aber gleichzeitig die Einhaltung des Maastricht-Kriteriums. Er wollte einen sozialen Haushalt, den sozialsten seit Jahren, und gleichzeitig das Defizit auf 3,2 Prozent drücken.

Dieser Spagat machte in den vergangenen sechs Jahren das Erfolgsrezept seiner Regierung aus. Und Costa ist stolz darauf, Portugal von der Austerität hin zur Solidarität geschifft zu haben, wie er selbst sagt. Anerkennung bekam er dafür nicht nur von anderen Sozialdemokraten, sondern auch von Staatspräsident Marcelo, dessen Jura-Vorlesungen Costa als Student einst besucht hatte.

Obwohl Marcelo Rebelo de Sousa dem konservativen PSD angehört und der Sozialist Costa mit Unterstützung von Linksblock und Kommunisten regierte, galt das Verhältnis der beiden bislang als gut. Die politische Zusammenarbeit funktionierte während der Corona-Krise so reibungslos, dass man aus Spanien voller Achtung vor so viel politischem Pragmatismus hinüber ins Nachbarland blickte. Beiden Männern schien das Kompromisseschmieden zu liegen. Und nun das: Hat Rebelo de Sousa sich nur verkalkuliert oder hofft er am Ende auf einen Machtwechsel?

Sollte der Präsident erwarten, dass nach der Neuwahl die Konservativen regierten, so ist diese Hoffnung womöglich trügerisch. Experten wie Francisco Pereira Coutinho, Verfassungsrechtler an der Universidade Nova in Lissabon, erwarten, dass vor allem die rechtsextreme Chega-Partei von einer vorgezogenen Wahl profitiert. Denn der konservative PSD ist in interne Konflikte verstrickt, die sich wohl bis Mitte Januar kaum lösen lassen. Dann wäre frühestens Wahltermin. Auf der anderen Seite darf auch Costa kaum auf Zugewinne hoffen. Eine Wahl mit lauter Verlierern könnte es werden.

Noch gewichtiger aber dürften die Konsequenzen für den Wiederaufbau des Landes sein. Portugal hat - trotz Costas Spagat - die drittgrößte Staatsverschuldung in der EU, nach Griechenland und Italien. Umso entscheidender ist in den kommenden Monaten eine handlungsfähige Regierung. Sie muss das Geld aus dem EU-Wiederaufbaufonds einplanen und ausgeben und gleichzeitig die Vorgaben der EU einhalten. Wird nun tatsächlich im Januar gewählt, dürfte ein neuer Haushalt frühestens im April stehen. Im Falle eines Machtwechsels müssten bereits geplante Projekte womöglich neu ausgehandelt werden. Alles Dinge, die wertvolle Zeit kosten und den Geldfluss aus Brüssel ins Stocken bringen. Schon weist die Ratingagentur Moody's auf das ökonomische Risiko hin, das sich aus der momentanen Lage für Portugal ergebe. Und die Tageszeitung Publico in Lissabon sprach von hohen "politischen Risiken", die Marcelos Entscheidung berge.

Der Präsident, der sonst die Öffentlichkeit nicht scheut, zeigte sich in dieser für ihn so schwierigen Woche vergleichsweise zurückhaltend. Der Presse versicherte er, dass gerade zwar jeder um ihn herum versuche, das Beste für sich herauszuholen. Er selbst fühle sich dadurch aber keineswegs unter Druck gesetzt, weder von seiner Partei noch von den anderen. Und da war sie wieder für einen kurzen Moment, seine übliche Lässigkeit.

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