Sie wurde beschimpft, mal wieder, das ist Seda Başay Yıldız gewöhnt. Aber in diesem Schreiben drohten die Absender auch, ihre zweijährige Tochter umzubringen. Und sie kannten die Privatadresse von Başay Yıldız, die als Rechtsanwältin Islamisten verteidigt, auch den mutmaßlichen Bin-Laden-Leibwächter Sami A., und die als Nebenklagevertreterin im NSU-Prozess auftrat. Başay Yıldız erstattete Strafanzeige bei der Polizei in Frankfurt. Und die Ermittlungen haben zu einem ungeheuerlichen Verdacht geführt, über den die Frankfurter Neue Presse (FNP) berichtet: Rechtsradikale Beamte der Frankfurter Polizei könnten mit dem Drohschreiben zu tun haben.
Seit Anfang der Woche ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen vier Polizisten und eine Polizistin aus dem Frankfurter Präsidium wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt. Die Gruppe soll über mehrere Wochen hinweg rechtsextremes Gedankengut in einer Whatsapp-Gruppe ausgetauscht haben. Darüber hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung zuerst berichtet. Die Ermittler des Staatsschutzes seien bei den Ermittlungen zu einem anderen Fall darauf gestoßen.
Nun stellt die FNP die Verbindung her: Der Staatsschutz fand demzufolge eine Spur, die zu einem Dienstcomputer in der Innenstadtwache der Frankfurter Polizei führte. Dort wurden Melderegister-Einträge von Başay Yıldız abgerufen, ein polizeilicher Anlass war offenbar nicht erkennbar. Daraufhin kam es zu Hausdurchsuchungen bei den Polizisten, die zur fraglichen Zeit Zugriff auf den Rechner hatten. Über ihre Handys und Computer stießen die Staatsschützer auf den Whatsapp-Chat.
Das Drohschreiben, das die Ermittlungen ausgelöst hat, ging der FNP zufolge am 2. August per Fax bei Seda Başay Yıldız ein, die Zeitung beruft sich dabei auf ein Gespräch mit der Anwältin. Sie wurde darin als "Türkensau" beschimpft, die sich "verpissen" solle, "solange du hier noch lebend rauskommst". Außerdem drohten die Absender: "Als Vergeltung (...) schlachten wir deine Tochter." Unterzeichnet war das Schreiben mit "NSU 2.0".
Der Vater von Başay Yıldız stammt aus der Türkei, sie selbst wuchs in Marburg an der Lahn auf. Im NSU-Prozess vertrat sie die Familie von Enver Şimşek, dem ersten Mordopfer des NSU. Der Blumenhändler wurde am 9.September 2000 an seinem mobilen Stand in Nürnberg erschossen. Başay Yıldız schrieb vor drei Jahren in einem Gastbeitrag für die SZ über ihr Verhältnis zu Deutschland.
Der FNP zufolge macht die Staatsanwaltschaft "aus ermittlungstaktischen Gründen" keine Angaben, ob auch wegen des Drohbriefes gegen die fünf derzeit aus dem Dienst entfernten Beamten ermittelt wird. Die Pressestelle der Frankfurter Polizei war am Samstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.