Philippinen:Godzilla gegen Bambi

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Rodrigo Duterte (l.) mit seinem früherem Polizeichef Ronald dela Rosa. (Foto: Noel Celis/AFP)

China verschreckt den Inselstaat mit seinen Ansprüchen auf das Südchinesische Meer. Die USA profitieren. Sie dürfen wieder ihre Truppen stationieren.

Von Arne Perras, Singapur

Verlässlichkeit unter Verbündeten ist ein hohes Gut der internationalen Politik. Doch hat sie sehr gelitten, seitdem Populisten auf allen Kontinenten höchste Staatsämter besetzen. In Asien hat Rodrigo Duterte den Wankelmut zu einem wesentlichen Merkmal seiner Präsidentschaft gemacht, so konsequent übt er sich in Unberechenbarkeit, dass man dahinter schon Methode vermuten darf.

Jüngstes und gewichtigstes Beispiel: das abenteuerliche Hin und Her um das Abkommen für den Besuch von US-Truppen auf den Philippinen, kurz VFA genannt. Es gilt als wesentlicher Baustein amerikanischer Dominanz im Pazifik und ist von großer geostrategischer Bedeutung, zumal in Zeiten wachsender Rivalität zwischen Peking und Washington. Im Februar hatte Duterte diesen Pakt mit einer sechsmonatigen Frist abrupt gekündigt, vordergründig reagierte er damit auf die Entscheidung der Vereinigten Staaten, Dutertes früherem Polizeichef Ronald dela Rosa das Visum zu streichen. Der Staatschef in Manila zeigte sich wütend, die Kündigung des VFA wirkte wie ein trotziger Vergeltungsschlag.

Offiziell begründet Manila den Rücktritt vom Rücktritt mit der Coronakrise

Vier Monate später ist wieder alles anders. Wie Außenminister Teodoro Locsin erklärte, nehmen die Philippinen die Kündigung zurück. Die US-Botschaft in Manila reagierte umgehend mit Erleichterung: "Wie freuen uns auf eine fortwährende enge Verteidigungs- und Militärkooperation mit den Philippinen." Allerdings gibt es einen Haken, die Rücknahme der Kündigung ist zunächst nur für sechs Monate gültig. Insofern fällt es Analysten schwer, die Zukunft der Beziehungen abzuschätzen.

Die Regierung in Manila begründet den Schritt offiziell mit der Corona-Krise, in der die Philippinen auf Kooperation mit anderen Ländern angewiesen seien. Doch der Botschafter in den USA ging deutlich weiter. Im Interview mit dem Sender ABS-CBN sagte er: "Der politische Grund liegt darin, dass sehr viel im Südchinesischen Meer passiert, wir sehen das sehr klar." In der Region wird der Kurswechsel Dutertes als Rückschlag für Peking gewertet. Unter Chinas Nachbarn ist der Eindruck gewachsen, dass der große Nachbar im Norden die Corona-Krise ausnutzt, um seine maritimen Ansprüche zu festigen. China beansprucht nahezu 90 Prozent des Meeresgebiets, was die Nachbarn nicht akzeptieren.

Für die USA sind die Stützpunkte am Südchinesischen Meer strategisch bedeutend

Duterte, der bald nach seinem Wahlsieg 2016 auszog, die Beziehungen zu China zu stärken und Abstand von den USA zu gewinnen, scheint nun auch unter wachsenden Druck im eigenen Lager zu geraten. Die Angst vor chinesischer Übermacht ist in der philippinischen Bevölkerung nicht neu, nun hat sie einen neuen Schub bekommen. Viele halten es für riskant, die Beziehungen zu den USA aufs Spiel zu setzen, die militärische Schwäche Manilas ist dabei ein wesentliches Argument. Der US-Flottenexperte James Holmes vom Naval War College beschrieb die Kräfteverhältnisse zwischen Peking und Manila so: "Das ist Godzilla gegen Bambi."

Das Abkommen VFA erlaubt es den USA, philippinische Militärbasen zu nutzen. Für die Weltmacht ist das frühere Kolonialgebiet an der Ostflanke des Südchinesischen Meeres seit Ende des Zweiten Weltkriegs ein wesentlicher Stützpunkt, die Spannungen im Südchinesischen Meer machen ihn für die USA umso bedeutender, solange Washington sich weiterhin als Wächter über die pazifische Nachkriegsordnung betrachtet, Prinzipien des internationalen Seerechts hochhält und "freie Navigation" im südchinesischen Meer einfordert.

Das Verhältnis zwischen Manila und Washington ist allerdings historisch belastet, das Erbe amerikanischer Kolonialherrschaft hat Spuren hinterlassen. Zwar blickt eine Mehrheit der Philippiner laut Umfragen eher positiv auf Amerika, doch gibt es auch tief sitzende Vorbehalte. Duterte greift sie immer wieder auf, indem er signalisiert, dass die USA ihren Verbündeten nicht gleichwertig und von oben herab behandeln würden. Derzeit aber scheint das Bedürfnis nach Rückendeckung doch größer zu sein.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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