Philippinen:"Chaos säen"

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Trümmer vor dem Gotteshaus. Hier explodierten laut Militärangaben die beiden Bomben. (Foto: AFP/ARMED FORCES OF THE PHILIPPINES)

Mutmaßliche Islamisten bombardieren eine Kirche im Süden des Landes. Viele Menschen sterben.

Von Arne Perras, Singapur

Wenn es in einem Konfliktgebiet so aussieht, als sei der Frieden schon ganz nahe gerückt, sind das manchmal besonders gefährliche Tage. Dann versuchen Profiteure des Krieges, die einen Ausgleich fürchten, noch einmal Angst und Hass zu schüren. Konfliktforscher nennen sie "Spoiler", diese Kräfte agieren als "Störer", sie wollen alle Chancen auf eine friedliche Lösung verderben, weil nur Krieg und Chaos ihnen nützen.

Auf der Kriseninsel Mindanao im Süden der Philippinen, wo 1,8 Millionen Menschen in der vergangenen Woche in einem Referendum ihren Willen zu einem Friedensschluss signalisierten, gibt es immer noch sehr viele zersetzende Kräfte. Sie wollen jeden Fortschritt torpedieren. Und wozu sie fähig sind, haben sie am Sonntagmorgen um kurz vor neun auf der Insel Jolo gezeigt. Katholische Gläubige waren dort zur Kathedrale geströmt, um die heilige Messe zu feiern, als im Inneren des Gotteshauses eine Bombe detonierte. Als die überlebenden Kirchenbesucher in Panik versuchten, nach draußen zu gelangen, explodierte nach Aussagen von Augenzeugen ein zweiter Sprengsatz.

Der muslimische Süden ist seit Jahren Krisengebiet - nach dem Referendum gab es Hoffnung

Fotos vom Tatort zeigten später das Ausmaß der Zerstörung, überall zerfetztes Kirchengestühl, zerplatzte Fenster, vor dem zerstörten Eingang lagen Tote aufgereiht, mit weißen Plastikplanen bedeckt. Die Regierung bezifferte die Zahl der Todesopfer bis Sonntagabend (Ortszeit) auf 20. Weitere 81 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Die meisten, die es in der Kirche traf, waren Zivilisten, doch auch Soldaten und Polizisten starben in der hoch militarisierten Gegend im äußersten Südosten der Philippinen.

Erst vor wenigen Tagen hatte die muslimische Minderheit auf Mindanao in einem Referendum mit großer Mehrheit für ein Gesetz gestimmt, das ihr ein autonomes Gebiet zusichert. Dieser Schritt gilt als große Chance, um einen zähen separatistischen Konflikt auf den überwiegend von Katholiken bevölkerten Philippinen zu beenden. Er forderte nach Schätzungen 150 000 Todesopfer.

Ein Friedensplan, der zwischen der größten Rebellengruppe Moro Islamic Liberation Front (Milf) und der Regierung in Manila ausgearbeitet worden war, sollte nun nach dem Votum umgesetzt werden, doch radikale Kräfte untergraben das Vorhaben. Sie fürchten um Einfluss und Rückzugsgebiete. Vor allem auf der Insel Jolo ist der Widerstand stark.

Jolo liegt in der Sulu-See, wo bewaffnete Milizen ihre Nischen verteidigen, sie fürchten, dass eine neue Ordnung ihre Geschäfte beschneidet. Die Gegend ist berüchtigt für Piraterie und Lösegelderpressungen, viele Geiseln haben die Gefangenschaft im Dschungel nicht überlebt, vor allem Splittergruppen der Miliz Abu Sayyaf wurden für die Verbrechen verantwortlich gemacht.

Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich. Laut dem auf die Überwachung islamistischer Websites spezialisierten US-Unternehmen Site teilte der IS am Sonntag mit, zwei Selbstmordattentäter hätten sich in der Kirche sowie auf deren Parkplatz in die Luft gesprengt. Bei der Suche nach den Bombenlegern in der Kathedrale hatten sich die Behören nach Angaben des philippinischen Polizeichefs Oscar Albayalde zunächst auf extremistische Kräfte der Abu Sayyaf als Hauptverdächtige fokussiert. Manche Milizen auf Mindanao kämpfen im Namen des IS, wobei schwer einzuschätzen ist, wie eng diese Allianzen jeweils geknüpft sind. Der IS sucht nach Wegen, in Südostasien einen Brückenkopf aufzubauen, 2017 hatten IS-nahe Extremisten monatelang die Stadt Marawi in ihre Gewalt gebracht.

Der nationale Sicherheitsberater Hermogenes Esperon will alles daran setzen, das Ziel der Bombenleger zu durchkreuzen: "Wir werden nicht zulassen, dass sie die Wahl der Leute für den Frieden verderben." Nach Lesart der Regierung zielten die Bombenleger darauf ab, die Früchte des Referendums zu zerstören. Offenbar fürchten die Banditen in der Sulu-See, dass ihr Reich in Zeiten des Friedens keine Chance mehr hat.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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