Seit das bürgerliche Familienmodell mehr und mehr Konstellationen Platz macht, die man ob ihrer Buntheit gern mit dem Begriff "Patchwork" umschreibt, ist das Familienrecht ein recht dynamisches Gewerbe geworden. Unterhalt für Alleinerziehende und Geschiedene, Sorgerecht für Unverheiratete: Ständig laufen Gesetzgeber und Gerichte den Verhältnissen hinterher, um die passenden Regeln zu schaffen. Ein Gewinner dieser Entwicklung steht bereits fest: Es ist der ledige Vater.
Vor kurzem ist seine Position beim Sorgerecht ausgebaut worden - nun soll auch das Umgangsrecht des Erzeugers, der nicht bei der Familie lebt, gestärkt werden. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat dazu einen Referentenentwurf formuliert, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Ziel: Der leibliche Vater, dem jeglicher Kontakt zum Kind verwehrt wurde, soll künftig ein Recht auf gelegentliche Besuche und Treffen durchsetzen können - und zwar auch gegen den Willen der Mutter.
Den Anstoß zu der Reform haben zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus den Jahren 2010 und 2011 gegeben. Der Straßburger Gerichtshof befand das deutsche Recht für zu rigide: Danach sollte der Erzeuger, der mit der Mutter weder verheiratet ist noch die Vaterschaft anerkannt hat, nur dann eine Chance auf ein Umgangsrecht erhalten, wenn er bereits eine "sozial-familiäre" Beziehung zu dem Kind aufgebaut hatte. Womit die Mutter es in der Hand hatte, seine Rechte auf null zu stellen - wenn sie ihn nur konsequent vom Kind fernhielt.
Die Novelle will nun dem biologischen Vater, neben einem Anspruch auf Auskunft über die Situation des Kindes, ein Recht auf Umgang einräumen - allerdings nur, wenn dies dem Kindeswohl dient. Das muss zuvor vom Familiengericht festgestellt werden, im Zweifel mit einem psychologischen Gutachten. Dabei wird es keineswegs immer so sein, dass der Erzeuger vom Gericht als der störende Außenseiter im trauten Familienkreis angesehen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat vor gut 20 Jahren entschieden, dass die Kenntnis der genetischen Abstammung für die Entwicklung der Persönlichkeit prägend sein kann; deshalb mag mitunter auch der Kontakt mit dem genetischen Vater wichtig sein.
Nach dem Entwurf muss der leibliche Vater aber noch eine zweite Hürde überwinden - und die könnte für Streit vor den Gerichten sorgen. Nur wenn er "durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er für das Kind tatsächlich Verantwortung tragen will", könne man ihm den Kontakt erlauben. Beispielsweise dann, wenn er sich von vornherein zum Kind bekannt oder gar die Begleitung der Mutter zur Vorsorgeuntersuchung angeboten habe. Oder womöglich plane, in dieselbe Stadt zu ziehen. Ingrid Groß, eine erfahrene Familienrechtsanwältin, ist freilich skeptisch, ob der Übereifer des leiblichen Vaters, sein Verantwortungsbewusstsein zu zeigen, nicht den Familienfrieden stören könnte. Sie hat schon erlebt, dass der Erzeuger jede Woche vor der Tür stand, während sich das Kind schreiend hinter dem Mann ihrer Mutter versteckte, den es längst als Vater akzeptiert hatte. "Das verlangt schon sehr viel von den Beteiligten."
Noch etwas hat das Ministerium bedacht: dass die Vaterfrage oftmals ungewiss ist. Wer ein Besuchsrecht für "sein" Kind durchsetzen will, kann vorher per Gentest klären lassen, ob es auch wirklich von ihm ist.