Parteien im Netz (3): Die Grünen:Virtuelle Schnitzeljagd

Lesezeit: 2 min

Im Internet präsentieren sich die Grünen gleich auf mehreren Web-Portalen. Nach fetziger Politposse und flotten Wahlkampf-Clips sucht man allerdings vergeblich.

Carolin Gasteiger

Öffentlichkeitswirksame Aktionen hatten die Grünen schon immer auf Lager. Postkarten mit nackten Hintern, T-Shirt-Dresscode im bayerischen Landtag oder Artenschutz-Domino vor dem Bundestag.

Live unterhaltsamer als im Netz: Grünen-Chefs Claudia Roth und Reinhard Bütikofer. (Foto: Foto: dpa)

Man könnte auf die Idee kommen, die Grünen hätten nur auf Internetportale wie Youtube gewartet, um witzige Clips ihrer originellen Aktionen zu publizieren.

Klickt man auf den Youtube-Channel der Grünen, ist man auch schon mittendrin - im Desaster. Statt doppelbödigem Politik-Slapstick mit Parteichef Reinhard Bütikofer kommt lediglich ein Interview - und dann auch noch fremdproduziert vom ZDF.

Eigene Videos der Grünen? Nach einer Weile Scrollen wird man fündig. Ah, weiter unten. Die verfügbaren Clips zeigen zwar witzige Aktionen der Partei, wie das Enthüllen der "Klimaschnecke Merkel" in Berlin. Aber multimediale Bahnbrecher oder ein unerwartetes Internet-Feature sucht man vergeblich.

Natürlich und mit Versprechern

Stattdessen: Reinhard Bütikofer zur Pendlerpauschale, zum Energiesparen, zur Wahlrechtsreform. Claudia Roth zum G-8-Gipfel, zum Schwesternkrieg der Union, zur EU-Politik von Nicolas Sarkozy. Die 45 Videostatements sind keine aufwändigen Eigenproduktionen, sondern schlicht und einfach auf dem Youtube-Channel gebündeltes Pressematerial. Das User-Fazit: enttäuschend.

Allein die Clip-Serie zum 60. Jahrestag der Allgemeinen Menschenrechtserklärung versprüht einen Hauch Kreativität. Bis zum Jahrestag am 10. Dezember 2008 soll sich zu jedem der 30 Artikel der UN-Charta ein Politiker äußern. Der Clip mit dem Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour ist das am meisten gesehene Video auf dem Kanal. Etwas länger als eine Minute dröselt der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Migration und Flucht vor Berliner Kulisse Artikel 19 der Menschenrechtscharta auf. Er wirkt überraschend natürlich, vielleicht auch wegen der Versprecher.

Aus der Bundesgeschäftsstelle heißt es, die Partei wolle sich bewusst nicht inszenieren, sondern die Politiker in ihrer gewohnten Umgebung zeigen. Also auf Pressekonferenzen, dem Parteitag, im Parlament. Zugegeben, diesen Vorsatz haben sie gekonnt in die Tat umgesetzt. Das Ergebnis ist jedoch mau. Kaum mehr als 5000 Besucher haben seit dem Start des Youtube-Channels im Januar den Weg zu "Kanal Grün" gefunden.

Abklatsch und keine Kommentare

Auch das restliche Angebot der Grünen im Netz ist noch äußerst dürftig. Auf dem Wahlomat-Abklatsch www.gruen-o-mat.de ermittelt ein Test mit 20 Fragen, wie "grün" man wirklich ist. Auf www.gruenes-klima.dekann der User sein Umweltbewusstsein errechnen und sollte dazu Alltagstipps finden. Leider sind die viel zu versteckt. Auf www.datenschutz-ist-buergerrecht.de versuchen die Grünen schliéßlich mehr schlecht als recht, sich als Datenschutz-Partei zu profilieren. Praktische Tipps und Hilfe sucht man dort vergeblich. Das Amüsanteste ist das "Ich weiß, wo Du surfst"-Widget mit Bundesinnenminister Schäuble für die eigene Homepage.

Datenschutz, Klimawandel, Menschenrechte: Ihre Paradethemen wollen die Grünen im Internet aber gar nicht mit aufwändigen Videos reißerisch feilbieten. Früher radikal-aufmüpfige Öko-Partei sind die Grünen heute zum Bündnis für die Rundum-Sorglos-Wohlstandsgesellschaft geworden und setzen auf den direkten Draht zum User, also auf Blogs und Kommentare.

Schade nur, dass man unter den Youtube-Videos keine wirklich guten Kommentare vorfindet, sondern eher die üblichen Bemerkungen lustloser Internetuser. Und auch auf der unübersichtlichen Datenschutzseite stellen sich die Grünen selbst ein Bein: Der User findet keine direkte Blogmöglichkeit, sondern lediglich einen versteckter Link.

Eingefleischte Grünen-Fans mögen sich in dem Blogwirrwar der Grünen zurechtfinden, der neugierige Internetuser jedoch muss sich auf virtuelle Schnitzeljagd begeben. Die Grünen scheint das aber momentan nicht zu stören. Aus der Bundesgeschäftsstelle heißt es: "Wir werden im Wahlkampf auf Videos setzen".

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