Parlamentswahlen in Schweden:Reinfeldt verliert Mehrheit - Rechte im Parlament

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Bei der Reichstagswahl in Schweden liegt das konservative Lager von Premier Reinfeldt vor der Opposition - doch zur absoluten Mehrheit braucht der Regierungschef wohl die Grünen.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Die Schweden haben am Sonntag ihre Regierung knapp im Amt bestätigt. Einer ersten Untersuchung nach Schließung der Wahllokale zufolge verlor die liberal-konservative Koalition allerdings die absolute Mehrheit im Parlament. Die Vier-Parteien-Allianz des amtierenden Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt konnte demnach 49,1 Prozent der Wählerstimmen holen. Das rot-grüne Bündnis der Sozialdemokratin Mona Sahlin kam nur auf 45,1 Prozent. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten schafften mit voraussichtlich 5,7 Prozent knapp den Sprung in den Reichstag und könnten dort zum Zünglein an der Waage werden. Die vom Fernsehsender SVT in Auftrag gegebene Prognose galt noch als unsicher, mit einem endgültigen Ergebnis wurde erst für den Montag gerechnet.

Demonstrativ gutgelaunt auf dem Weg zur der Stimmabgabe: Schwedens konservativer Regierungschef Fredrik Reinfeldt mit seiner Frau Filippa. Doch in Zukunft könnte das Regieren für den Premier schwieriger werden. (Foto: dpa)

Das Auszählen gestaltete sich in diesem Jahr besonders langwierig, da 2,2 Millionen der insgesamt 6,8 Millionen Wahlberechtigten die Möglichkeit nutzten, in Bibliotheken und anderen öffentlichen Einrichtungen vorzeitig zu wählen. Ihre Stimmzettel müssen zum Teil erst noch in die entsprechenden Wahlbezirke gebracht werden. Sollten die Schwedendemokraten tatsächlich den Sprung ins Parlament schaffen, steht Ministerpräsident Reinfeldt eine schwierige zweite Amtsperiode bevor. Er hatte bereits vor der Wahl eine Minderheitsregierung als mögliche Option bezeichnet. Es gilt als wahrscheinlich, dass er als erstes Gespräche mit den Grünen führen wird, um sie zumindest als Unterstützer zu gewinnen.

Die Grünen, die laut Prognose mit neun Prozent ein Rekordergebnis erzielten, hatten ein Wahlbündnis mit Sozialdemokraten und Linkspartei geschlossen. Doch stehen sie in der Steuer- und Wirtschaftspolitik den bürgerlichen Parteien nahe. Allerdings lehnen sie den Neubau von Atomkraftwerken strikt ab, den die Regierung in der vergangenen Amtsperiode auf den Weg gebracht hat.

Eine Zusammenarbeit Reinfeldts mit den Schwedendemokraten gilt dagegen als weniger wahrscheinlich. Um seine absolute Mehrheit zu retten, hatte der Ministerpräsident in der vergangenen Woche des Wahlkampfes seine Angriffe stark auf die Rechtspopulisten konzentriert. "Wer Schweden liebt, stimmt nicht für die Schwedendemokraten", sagte er immer wieder. Die fremdenfeindliche Partei fordert unter anderem eine drastische Begrenzung der Zuwanderung und fürchtet eine "Islamisierung Schwedens".

Wahlkampf mit Gegendemonstrationen

Der Straßenwahlkampf der Schwedendemokraten war stets von großen Gegendemonstrationen begleitet. An mehreren Orten mussten ihre Veranstaltungen abgesagt werden, weil die Polizei nicht für die Sicherheit garantieren konnte.

Der Wahlkampf drehte sich sonst vor allem um das Thema Arbeitslosigkeit. Reinfeldt versprach den Schweden, wie schon bei der Wahl 2006, mit Hilfe von Steuersenkungen und Subventionen im Dienstleistungssektor neue Jobs zu schaffen. In der vergangenen Amtszeit konnte er das Versprechen - trotz Finanzkrise - einlösen. So gibt es heute mehr Erwerbstätige in Schweden als noch vor vier Jahren. Das rot-grüne Oppositionsbündnis versprach den Wählern ebenfalls Arbeitsplätze. Statt auf Steuersenkungen setzte Spitzenkandidatin Mona Sahlin allerdings auf höhere Belastungen für Wohlhabende und vermehrte Investitionen im Sozialbereich.

Besonders hart hatte Sahlin die von Reinfeldt durchgesetzte Veränderung des Krankengeldes kritisiert. Dort hatte die bürgerliche Koalition die Regeln verschärft und Zehntausende bislang krankgeschriebene oder frühpensionierte Schweden in den Arbeitsmarkt gezwungen. Die Gesetzesänderung führte aber auch zu Härtefällen. Das Thema spielte zunächst keine große Rolle in der Debatte. In der letzten Woche vor der Wahl griffen die Medien dann aber ein paar besonders schlimme Einzelschicksale auf. Unter anderem kursierten Berichte von todkranken Krebspatienten, die von den Behörden in den letzten Monaten ihres Lebens noch zur Jobsuche geschickt werden. Das kostete die Regierung im Endspurt vermutlich wertvolle Stimmen.

Eine Besonderheit bei dieser Wahl war die klare Aufteilung der etablierten Parteien in zwei Blöcke. Reinfeldts Moderate Partei hatte schon 2006 mit der liberalen Volkspartei, den Christdemokraten und dem agrarischen Zentrum eine Allianz mit gemeinsamem Programm geschmiedet. Fraglich ist nun, ob Oppositionschefin Mona Sahlin die Niederlage übersteht. Der Prognose zufolge kamen ihre Sozialdemokraten nur auf knapp 30 Prozent. Das wäre das schlechteste Ergebnis der Partei seit 1914.

© SZ vom 20.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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