Papst Franziskus:An den Orten der Gewalt

In Lateinamerika ist der Papst mit seiner Agenda genau richtig.

Von Boris Herrmann

Franziskus ist für alle da. Als oberster Hirte hat er die Gläubigen auf der ganzen Welt gleichermaßen zu betreuen. Es kommt deshalb nicht überall gut an, dass Franziskus, der erste Papst aus Lateinamerika, einen klaren Trend in seiner Routenplanung erkennen lässt: den zum Heimatbesuch. Inklusive der aktuellen Visite in Chile und Peru hat er in sechs Lateinamerika-Reisen binnen fünf Jahren nahezu den gesamten Subkontinent abgeklappert - sein Geburtsland Argentinien bildet dabei die eine Ausnahme. Das mag den Gläubigen in Europa, Asien und Afrika nicht ganz fair vorkommen. Falsch ist es deshalb noch lange nicht.

Im Grunde löst Franziskus damit nur ein Versprechen ein, das er in seiner spektakulären Enzyklika "Laudato si'" abgab. Kernthese: Den Preis der Umweltzerstörung zahlen die Armen. Oder wie er es in seinem ersten Apostolischen Schreiben besonders allgemein verständlich formulierte: "Diese Wirtschaft tötet."

Man kann von der Mission dieses Papstes halten, was man will. Doch mit seinen Themen ist er genau richtig in Lateinamerika. Die Region mit den meisten Katholiken der Welt ist auch die Region der dreistesten Umweltverbrechen, der zum Himmel schreienden Ungleichheit, der wachsenden Armut, der systematischen Korruption, der allgegenwärtigen Gewalt. In Chile und Peru wird Franziskus auch ein Schlaglicht auf die Lage der indigenen Völker werfen. Sie wissen viel zu gut, was mit dem Satz von der tödlichen Wirtschaft gemeint war.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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