Pannen bei Aufklärung der NSU-Morde:De Maizière wusste frühzeitig von Geheimdienstkontakten zu Mundlos

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Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat schon vor Monaten von den Kontakten des Militärischen Abschirmdienstes zum Rechtsterroristen Mundlos erfahren. Das sein Ministerium die Information nicht an den zuständigen Ausschuss weitergeleitet habe, bezeichnet er als "unsensibel". Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin fordert als Konsequenz aus den Ermittlungspannen bei den NSU-Morden, den Inlandsgeheimdienst aufzulösen.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat frühzeitig über Kontakt des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) zu NSU-Terrorist Uwe Mundlos Bescheid gewusst. Wie das Ministerium am Mittwoch bekannt gab, informierte der MAD das zuständige Referat des Verteidigungsressorts am 12. März. Dieses gab die Informationen am folgenden Tag an die Leitung des Hauses weiter.

De Maizière ließ ausrichten, es sei bedauerlich, dass sein Haus dem Untersuchungsausschuss nicht gezielt einen Hinweis auf die Akte gegeben habe. Er teile die Auffassung des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD), dass dies "unsensibel" gewesen sei. Ein Sprecher des Minsteriums wies jedoch darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss nicht Aufgabe des Ministers sei, "sondern das ist Angelegenheit des steuernden Referates gegenüber dem Ausschuss".

Am Dienstag war im NSU-Untersuchungsausschuss bekannt geworden, dass der MAD versucht haben soll, Mundlos 1995 während seiner Zeit als Wehrdienstleistender als Informanten zu werben. MAD-Präsident Ulrich Birkenheier bestreitet allerdings, dass es sich bei den Kontakten um einen Anwerbeversuch gehandelt habe.

"Unglaublich, unsensibel, wenn nicht bösartig"

Ein Dementi, das ihm der Vorsitzende des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Neonazi-Morde, Sebastian Edathy (SPD), nicht glaubt. Er wundere sich, dass der MAD-Präsident "ausschließen kann, dass eine Anwerbung geplant gewesen ist", sagte Edathy im RBB-Inforadio. Birkenheier sei schließlich erst seit Juli im Amt.

Edathy sagte, Birkenheier solle für Oktober im Untersuchungsschuss als Zeuge geladen werden. Der Sachverhalt müsse dann noch einmal beleuchtet werden. "Ich halte es für unglaublich, für unsensibel, wenn nicht bösartig, dass uns über ein halbes Jahr lang verschwiegen worden ist, dass es einen Kontakt zwischen einem Terrorverdächtigen und dem MAD gab. Das halte ich für einen ziemlichen Skandal", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete.

Nach dem überraschenden Bekanntwerden der Kontakte zu Mundlos fordert Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, alle Inlandsgeheimdienste aufzulösen. Nach seiner Auffassung könne es "nur einen Weg geben: nämlich diese Behörden aufzulösen und einen kompletten personellen Neuanfang zu starten", sagte Trittin im Deutschlandfunk.

Es habe mehrere Versuche verschiedener Geheimdienstbehörden gegeben, die Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss des Bundestages zu hintergehen. Das belege, dass die Dienste in dieser Form nicht zu reformieren seien. "Mit diesen Institutionen und mit diesem Personal, das notorisch daran geht, das eigene Handeln gegenüber ihren Kontrollinstanzen zu vertuschen, mit diesen ist ein demokratisch gesteuerter Inlandsgeheimdienst, den wir brauchen, nicht möglich", sagte Trittin. Bei den Geheimdiensten habe eine Vertuschungsmentalität Einzug gehalten, "die geradezu genetisch in den Code dieser Behörden eingeschrieben ist".

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