Pakistan:Wenn der Putsch vom Plakat lächelt

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Das Militär überlässt das Regieren lieber Zivilisten. Doch es erinnert oft daran, wer wirklich die Macht hat.

Von Tobias Matern, München

Sie waren einfach da, über Nacht aufgehängt, wie von Geisterhand. Nun säumen die Plakate die Straßen in den großen Städten des Landes. Tausendfach, immer wieder das gleiche Motiv: Das Gesicht von Armeechef Raheel Sharif in Uniform, dazu die klare Aufforderung, er möge doch bitte die Macht im Staate an sich reißen. Nun beherrscht Pakistan eine Frage: Will das übermächtige Militär die zivile Regierung tatsächlich stürzen?

Im "Land der Reinen" wird jetzt wieder entlang klarer Linien diskutiert: Befürworter eines Coups weisen auf die anhaltende Inkompetenz der politischen Eliten und die weit verbreitete Korruption hin. Gegner einer Militärübernahme betonen, wie fragil die Demokratie in Pakistan ist, wie schädlich das permanente Eingreifen der Generäle in den vergangenen Jahrzehnten für Pakistan war.

In einem Land mit einer eindeutig definierten Gewaltenteilung würde sich die von den Claqueuren des Militärs in Gang gesetzte Diskussion auf die üblichen Verdächtigen in den Talkshows und auf soziale Netzwerke beschränken. Aber in Pakistan gilt nach wie vor: Zentrale Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik, vor allem das Verhältnis zum Erzfeind Indien und die Rolle Pakistans in Afghanistan, werden vom Armee-Hauptquartier in Rawalpindi gesteuert. So löst die Posterkampagne, die eine bislang weitgehend unbekannte Gruppe namens "Move On Pakistan" betreibt, auch eine wilde politische Debatte aus.

Die Armee beteuert, nichts damit zu tun zu haben. Aitzaz Ahsan, ein führender Politiker der größten Oppositionspartei PPP, ist sich sicher, dass die Regierung selbst für die Poster verantwortlich sei. Damit wolle Premierminister Nawaz Sharif von sich ablenken. Schließlich steht er seit der Veröffentlichung der Panama Papers unter Druck. In den Dokumenten werden fragwürdige Geschäfte seiner Familie erwähnt, Sharif selbst betont, es sei nichts Illegales geschehen. Oppositionspolitiker Ahsan sagt, der Regierungschef wolle Verwirrung stiften und sich als Retter der Demokratie aufspielen, indem er so tue, als ob die Armee einen Coup plane. Sharifs Informationsminister Pervaiz Rashid weist diese Darstellung zurück und betont, die für die Poster Verantwortlichen seien "Idioten, die dem Land nichts Gutes wollen".

Der General will den Premier nicht stürzen. Aber die Gerüchte zielen auf eine zweite Amtszeit

Der aktuelle Konflikt wirft ein Schlaglicht auf die Frage, ob der Armeechef im November das Amt wie angekündigt niederlegen wird - oder ob Aktionen wie die aktuelle Posterkampagne von der Armee heimlich gesteuert werden und Teil eines größeren Plans sind, den mächtigen Mann vom Militär für eine weitere Amtszeit in Stellung zu bringen. Sharif, der General, genießt Popularitätswerte in Pakistan, von denen Sharif, der Premier, nur träumen kann. In vielen Läden hängt sein Poster, auf den traditionell bunt verzierten Trucks finden sich gemalte Porträts von ihm. Der Politiker Sharif, der mit seinem Namensvetter vom Militär nicht verwandt ist, stand schon vor den Anschuldigungen gegen seine Familie in der Kritik: Die Masse der Bevölkerung hat große Probleme, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, Stromausfälle gehören zur Tagesordnung.

Ein wenig verbessert hat sich in Pakistan indes die Sicherheitslage. Dieser Umstand wird General Sharif zugeschrieben, der seine Armee in Wasiristan zu massiven Militäraktionen gegen die pakistanischen Taliban geführt hat. Seine Ankündigung, er werde bald das Amt als Armeechef zur Verfügung stellen, glaubt deshalb auch noch niemand so ganz: "Er sagt das zwar immer wieder, aber das hat keine Bedeutung", sagt die Militäranalystin Ayesha Siddiya. Die sorgfältig orchestrierte Öffentlichkeitsarbeit deute eher in die andere Richtung. Trotz der hysterischen Debatte, die seit der Plakatakton geführt wird, ist sich die Expertin sicher: General Sharif will Premier Sharif nicht aus dem Amt putschen: "Man kann das zwar nie zu 100 Prozent ausschließen", sagt Siddiqa. "Aber ich sehe noch keine unmittelbare Gefahr."

Das Militär hat aus dem Ansehensverlust gelernt, den das politische Ende des einstigen Militärmachthabers Pervez Musharraf mit sich gebracht hat. Musharraf, der sich 1999 unblutig an die Macht geputscht hatte, wurde 2007 mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Die Generäle wissen, wie schwierig es ist, Pakistan zu regieren. Sie überlassen es lieber zivilen Politikern, sich die Hände schmutzig zu machen. In wichtigen Bereichen haben sie sowieso die Macht inne, der Spielraum für die Politik bleibt eingeschränkt, wie auch die aktuelle Posterkampagne wieder zeigt: "Die Probleme für gewählte Regierungen hören in Pakistan nie auf", sagt ein Beobachter in Islamabad dazu. Das demokratische System funktioniere nur innerhalb der vom Militär-Establishment gezogenen roten Linien. Und dem Premier werde "die Tür gewiesen, wenn er sich nicht an diese Grenzen hält".

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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