Bundestag:Neue Strafe für Abgeordnete

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Die Bundestagsabgeordneten beschäftigen mehr als 5400 Mitarbeiter, das kostet die Steuerzahler jährlich 258 Millionen Euro. (Foto: imago images/Christian Spicker)

Parlamentarier, die ihre Mitarbeiter vorschriftswidrig im Wahlkampf einsetzen, können künftig mit einem Ordnungsgeld von bis zu 60 500 Euro bestraft werden.

Von Robert Roßmann, Berlin

Drei Jahre hat sich der Bundestag Zeit gelassen - aber jetzt hat er die vom Verfassungsgericht verlangte Verschärfung des Abgeordnetengesetzes doch noch beschlossen. Damit können künftig Parlamentarier bestraft werden, die ihre Bundestagsmitarbeiter auch im Wahlkampf einsetzen. Der jetzt beschlossene Gesetzentwurf sieht "ein Ordnungsgeld bis zur Höhe der Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung" vor. Die monatliche Abgeordnetenentschädigung liegt derzeit bei 10 083,47 Euro, es können also Strafen bis zu 60 500 Euro verhängt werden.

Die Abgeordneten dürfen ihre Bundestagsmitarbeiter nur zur Unterstützung bei der Erledigung ihrer parlamentarischen Arbeit einsetzen, so steht es im Gesetz. Vor allem in Wahlkampfzeiten hält sich aber nicht jeder daran. Wie selbstverständlich manche die Grenze überschreiten, hatte eine Reportage des ARD-Magazins "Report Mainz" bereits im Jahr 2013 offenbart. Dort konnte man Abgeordnete sehen, die sich völlig unbedarft dabei filmen ließen, wie sie ihre Bundestagsmitarbeiter im Wahlkampf einsetzen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Bundestag gerügt

Abgeordnete, die derlei tun, verstoßen nicht nur gegen die Vorschriften - sie verschaffen sich damit auch einen Vorteil gegenüber politischen Wettbewerbern ohne Mandat und Mitarbeiter. Und genau deshalb geht es dabei nicht nur um viel Geld, sondern auch um die Chancengleichheit in der Demokratie. Dass das kein vernachlässigbares Problem ist, zeigt schon ein Blick auf folgende Zahlen: Die Bundestagsabgeordneten beschäftigen derzeit mehr als 5400 Mitarbeiter - gut die Hälfte von ihnen arbeitet in den Bundestagsbüros, der Rest in den Wahlkreisen. Bezahlt werden die Frauen und Männer aus dem Bundeshaushalt, 258 Millionen Euro kostet das die Steuerzahler allein in diesem Jahr. Doch eine wirksame Kontrolle oder gar Strafen gab es bisher nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat das bereits im Jahr 2017 moniert. Es sei "nicht von der Hand zu weisen, dass der Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern sich öffentlich weitgehend nicht nachvollziehen lässt", heißt es in einem Beschluss des Zweiten Senats. Der "gebotenen Sicherstellung eines hinreichenden Mandatsbezugs bei der Tätigkeit der Abgeordnetenmitarbeiter" genüge "der gegenwärtige Regelungsbestand nicht". Das Gericht forderte den Bundestag deshalb auf, "zur Wahrung der Chancengleichheit der Parteien" durch zusätzliche Regelungen im Gesetz "dafür Sorge zu tragen", dass "der Verwendung von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf verstärkt entgegengewirkt wird". In seiner Entscheidung ging das Bundesverfassungsgericht auch auf die "Report Mainz"-Reportage ein.

Der Beschluss des Zweiten Senats war eine Schmach für den Bundestag. Aber wer dachte, das Parlament würde umgehend darauf reagieren, wurde enttäuscht. Erst ein Jahr später lud die zuständige Kommission des Ältestenrats zu einem ersten Expertengespräch. Und erst im November des vergangenen Jahres ließ der Ältestenrat allen Abgeordneten eine "Negativliste" zukommen. Darin wurden Beispiele für unzulässige Tätigkeiten aufgeführt. Dazu gehören unter anderem die Betreuung von Wahlkampfständen, das Aufhängen von Wahlplakaten, die "Übernahme einer telefonischen Hotline für die Partei" oder die Buchhaltung in einer Parteigeschäftsstelle. All das hätte aber jedem Abgeordneten sowieso klar sein müssen.

Außerdem verständigte sich der Ältestenrat damals darauf, die Ausführungsbestimmungen zum Abgeordnetengesetz zu ergänzen. Dort heißt es seitdem: "Den Mitgliedern des Bundestages werden ... Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern, die sie zur Unterstützung bei der Erledigung ihrer parlamentarischen Arbeit einstellen, gegen Nachweis ersetzt. Ausgeschlossen ist die Erstattung für Tätigkeiten der Mitarbeiter, die nicht der Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit dienen." In einem Brief an alle Abgeordneten gestand Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble damals aber ein, dass noch etwas Entscheidendes fehlt, nämlich die "Einführung eines Sanktionssystems für den unrechtmäßigen Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern". Dafür müsste noch das Abgeordnetengesetz geändert werden, aber dazu liege "noch kein Ergebnis vor". Das hat sich jetzt - nach weiteren elf Monaten - geändert. Am Mittwoch hat der Bundestag das Abgeordnetengesetz entsprechend geändert.

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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