Opposition in Iran:Grün war die Hoffnung

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Mit aller Gewalt hat das Teheraner Regime die Demonstranten von den Straßen vertrieben. Die Machthaber triumphieren, doch ist die Opposition in Iran wirklich am Ende?

Tomas Avenarius

Zwei Wochen nach Beginn des Aufruhrs gegen die Präsidentschaftswahl gibt es keine Massenproteste mehr in Iran, die Zahl der Demonstranten wird immer kleiner. Mit aller Härte und neuen Taktiken zerschlagen die Sicherheitskräfte Kundgebungen schon im Ansatz.

Die grüne Welle in Teheran: In den Tagen nach der mutmaßlich manipulierten Präsidentenwahl gingen Hundertausende in Irans Hauptstadt auf die Straße. (Foto: Foto: Getty Images)

Selbst am Grab der bei einer Demonstration erschossenen Studentin Neda Agha-Sotani erschienen nur wenige Mutige. Und das, obwohl Millionen das Video der sterbenden Iranerin gesehen haben und ein Arzt und Augenzeuge berichtet hat, die 17-Jährige sei von einem Milizionär erschossen worden. Auch politisch legt die Opposition nicht nach: Mir Hussein Mussawi wiederholt zwar den Vorwurf der Wahlfälschung, kann aber wenig Neues hinzufügen.

Das Regime rechnet nun ab. So forderte Ayatollah Achmed Chatami die Todesstrafe für die "Anführer dieser Demonstrationen, ohne jede Gnade". Der Geistliche ist ein Vertrauter des auf fragwürdige Weise wiedergewählten Präsidenten Machmud Ahmadinedschad: Als Mitglied des Expertenrates konnte er beim Freitagsgebet laut formulieren, was innerhalb der Hardliner-Fraktion des Regimes gedacht wird.

Der Ayatollah gab vor, wie die Regierung mit den Geschehnissen umgeht. Er behauptete, die erschossene Demonstrantin Neda sei von den Demonstranten getötet worden. "Sie wurde getötet, damit Obama Krokodilstränen vergießen kann."

Die Opposition droht so schnell zu verschwinden wie sie entstanden war. Der Protest Hunderttausender nach der von schweren Manipulationen gekennzeichneten Präsidentschaftswahl war von niemanden erwartet worden, am wenigsten vom Regime selbst. Jetzt aber fällt es dessen Gegnern schwer, den Druck aufrechtzuerhalten.

Kritische Medien werden mundtot gemacht, das Staatsfernsehen und regierungsnahe Zeitungen haben die Informationshoheit, Twitter und Internet reichen als Organisationsform für einen landesweiten Protest nicht aus.

Über die ausländischen Journalisten hat die Regierung Zensur verhängt: Die in Iran akkreditierten Medienvertreter dürfen nur noch aus ihren Büros heraus berichten. Den für die Wahlen eingereisten Reportern hat man die Tür gewiesen. Und über all dem schwebt die Parole des Regimes, die Medien seien Handlanger aus-ländischer Regierungen.

Das Kräftemessen findet nun nicht mehr auf der Straße statt. Das heißt aber nicht, das Ahmadinedschad sich völlig sicher sein kann. Denn es gibt genug geistliche und säkulare Vertreter des Regimes, die in der Manipulation der Präsidentschaftswahl und in der harten Reaktion der Polizei eine Gefahr für die Islamische Republik sehen.

Sie fürchten, dass die Politik von Chamenei weg vom islamischen System mit der Vorherrschaft der Geistlichkeit hin zu einer Diktatur der säkularen Revolutionsgarden führt. Groß-Ayatollah Hussein Ali Montaseri, der seit langem in Opposition zu Chamenei steht, warnte: "Wenn die Iraner ihre legitimen Rechte nicht fordern können und friedliche Proteste unterdrückt werden, werden sich Verwerfungen bilden, die die Fundamente des Regierungssystems unterhöhlen."

Doch das Hauptproblem der Opposition dürfte es sein, eine neue Formel für den Widerstand zu finden. Nachdem das Regime die Präsidentenwahl als "die demokratischste überhaupt in der Geschichte" legitimiert hat, werden Proteste gegen Wahlfälschung auf Dauer nicht reichen.

Eine neue Parole zu finden ist angesichts der bunten Mischung der Opposition aber schwierig: Das islamische System kann nicht in Frage gestellt werden. Denn viele der Oppositionellen - auch ihr Anführer Mussawi selbst - sind Befürworter der Islamischen Republik. Und Unterstützung und Schutz durch die Ahmadinedschad-Kritiker im Regime kann die Opposition nur dann erwarten, wenn sie das System selbst nicht in Frage stellt.

© SZ vom 27.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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