Österreich:Anrollende Riesenwellen

Lesezeit: 2 min

Voraussichtlich Ende September 2024 wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt. (Foto: IMAGO/Eibner-Pressefoto/EXPA/Slovencik)

Ob auf EU-Ebene, in Ostdeutschland oder in Österreich: Die Wahlen 2024 verheißen nichts Gutes. Was jetzt zu tun wäre, um einen Dammbruch nach rechts zu vermeiden.

Von Cathrin Kahlweit

Als die Briten 2016 über den Brexit abstimmten, war ich kurz davor, meinen neuen Job als UK-Korrespondentin anzutreten. Da das Ergebnis mitten in der Nacht erwartet wurde, bat ich meinen Mann, mich nur zu wecken, wenn das in meinen Augen Schlimmste eingetreten sein würde: ein Ja zum EU-Ausstieg. Er weckte mich gegen vier Uhr und sagte: "Nicht gut." Wenige Monate später standen die US-Wahlen an, Donald Trump stellte sich zur Wahl, und mein Mann sagte erneut morgens um vier Uhr: "Nicht gut."

Nun ist 2023 fast vorbei, die Jahresrückblicke sind sich einig darin, dass es kein gutes Jahr war und auch 2024 kaum Grund für Optimismus bietet. Und wir sagen: Nicht gut. Als wären der Zerfall der demokratischen Welt und der Verlust gelebter Solidarität eine Art Tsunami; man starrt auf den Horizont, auf die anrollenden Riesenwellen und betet, dass die Uferbefestigungen hoch genug sind.

Kostenlos abonnieren
:SZ Österreich-Newsletter

Was ist los in Österreich? Alles zu Österreich in der SZ. Jeden Freitag per Newsletter. Gleich kostenlos anmelden.

Nicht nur das Europaparlament wird 2024 gewählt. Im Osten Deutschlands stehen Wahlen in drei Bundesländern an. Die AfD, die vom Verfassungsschutz in Teilen als gesichert rechtsextrem gewertet wird, liegt überall weit vorn. Und doch kann man sich etwa in Thüringen nicht darauf einigen, die Uferbefestigungen höher zu ziehen, indem staatliche Institutionen besser vor der drohenden Destabilisierung durch Demokratiefeinde geschützt werden. Gar nicht zu reden davon, dass eine heftige politische Auseinandersetzung mit denen fehlt, die neben ausländerfeindlichen Parolen wenig Neues zu bieten haben.

Tirols Landeshauptmann sucht einen Konsens der Mitte

Auch in Österreich ist Superwahljahr: Neben dem Nationalrat geht es um die Landtage in Vorarlberg und der Steiermark. Es gilt als ausgemacht, dass 2024 das Jahr der FPÖ sein wird. Ob die Uferbefestigungen gegen einen "Volkskanzler" Herbert Kickl ausreichen werden, muss sich weisen; mir scheint eine taktische Debatte, wer mit wem koalieren könnte, um Kickl nur zum Vizekanzler oder - trotz Stimmenmehrheit - zum Nichtkanzler zu machen, der falsche Weg zu sein. Die FPÖ hat nicht viel mehr zu bieten als eine mit Fake News gefüllte Propagandamaschine und den Slogan von der Festung Österreich. Sich den Wählern als "FPÖ light" anzudienen, wird der ÖVP ebenso wenig helfen wie die skurrile Idee, Nein zu Kickl, aber Ja zu einer FPÖ ohne Kickl zu sagen. Wie das gehen soll, muss Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) dem Land erst noch erklären.

Zu welchen seltsamen Verrenkungen das führt, zeigt die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie behauptet, ohne rot zu werden, ihr Stellvertreter, FPÖ-Mann Udo Landbauer, sei weniger radikal als Kickl. Und strickt eifrig an der Legende, sie sei von der SPÖ gezwungen worden, mit den Rechtspopulisten zu koalieren. Da ist es eine wahre Wohltat, einen Politiker wie den Tiroler ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle zu hören, der über Parteigrenzen hinweg den Konsens in der Mitte sucht und, ganz unideologisch, einer Kooperation auch mit der SPÖ unter Andreas Babler das Wort redet. Hoffentlich müssen wir 2025 nicht sagen, 2024 war: nicht gut.

Diese Kolumne erscheint auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung der SZ zu Österreich bündelt. Hier gleich kostenlos anmelden .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Podcast "Das Thema"
:Rechtsruck in Deutschland und Österreich: Was AfD und FPÖ verbindet

In allen Umfragen für das Wahljahr 2024 legen FPÖ und AfD derzeit zu. Aber sind die Parteien überhaupt vergleichbar? Wie arbeiten sie zusammen?

Von Vinzent-Vitus Leitgeb

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: