Österreich:Ergebnisoffene Debatten

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stellte die Ergebnisse des sogenannten Corona-Aufarbeitungsprozesses vor. (Foto: Martin Juen/IMAGO/SEPA.Media)

Es ist das vierte Weihnachten seit Ausbruch von Corona. Warum es überfällig ist, Rechtspopulisten und Schwurblern mal mit ein paar Fakten zu konfrontieren. Und was bei der nächsten Krise helfen würde.

Von Cathrin Kahlweit

Ich hatte meine Portion Covid in diesem Herbst schon, obwohl: Man weiß ja nie, ob dem Gott der Pandemie, oder wer immer die Viren verteilt, einmal pro Saison genug ist. Krankheiten werden nicht gerecht verteilt. Diesmal haben die Covid-Beschwerden länger gedauert als bei den letzten drei Malen. Und das Ganze fühlte sich weit mehr als früher an wie eine sehr schwere Grippe. Der Pandemie-Gott experimentiert ja gern.

Genauso wie Regierungen und Gesundheitsbehörden erst mal experimentierten, als das Virus über uns kam. Die nationalen Pandemiepläne waren nicht up to date, schlecht genug, aber wie man Millionen Menschen schützt gegen einen unsichtbaren Gegner, der die einen niederringt und die anderen ignoriert, das war jetzt auch noch nicht so oft ausprobiert worden. Das einzige und letzte Mal, an das ich mich in dieser Hinsicht erinnern kann, war Tschernobyl 1986. Und das war weiter weg. Auch damals waren die einen hysterisch, die anderen wurschtig. Einsatz- und Schutzpläne gegen atomare Verseuchungen sind vermutlich seither an die Realität angepasst worden. Hoffe ich jedenfalls.

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Als nun am Donnerstag der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) vor die Presse trat und sagte, "mit dem Wissen von heute würde man vieles anders machen", da hatte er erstens recht und zweitens meine Sympathie. Eigentlich beansprucht ja die FPÖ in Covid-Fragen die Oberexpertise. Ich erinnere nur an den Rat von Parteichef Herbert Kickl, Pferdeentwurmungsmittel zu schlucken. Oder an den FPÖ-Landesrat in Niederösterreich, Christoph Luisser, der Eisbaden statt Impfen empfiehlt.

Aber genau wegen der grassierenden Wissenschaftsfeindlichkeit bei Rechtspopulisten, Schwurblern und Esoterikern war es überfällig, den Gott der Pandemie mal mit ein paar Fakten zu konfrontieren. Wie der Leiter der Corona-Aufarbeitungskommission, Alexander Bogner, erfreulich unaufgeregt sagte: "Tunnelblick vermeiden. Jede Krise hat viele Facetten und Gesichter." Man solle Debatten ergebnisoffen führen und transparent. Auch Gegenstimmen hören. Nicht moralisch, sondern über Gräben hinweg kommunizieren. Das sollte für die Politik eh immer gelten. Und wäre doch überhaupt ein schönes Vorhaben für nächstes Jahr für uns alle.

Als ich vor einer Weile in Steyr war, wo Corona-Leugner und sogenannte Querdenker zum Leidwesen der Steyrer bis heute regelmäßig demonstrieren, war ich nicht so sicher, ob die frohe Botschaft überall angekommen ist. Die Botschaft, dass Covid zwar immer noch da ist, meine ich, aber dass der Umgang damit sich merklich entspannt hat, rationaler geworden ist. Viele der Querdenker, die ich traf, reden bis heute von Diktatur und Deep State und haben kaum noch Berührungsängste mit dem rechtsextremen Lager. Vielleicht könnte der Gott der Pandemie ihnen zu Weihnachten den heiligen Geist der Vernunft vorbeischicken?

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