Obama: Vor Amtseinführung:"Hope, sweet hope"

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Washington hat sich auf den Ausnahmezustand vorbereitet - die Amtseinführung Obamas zieht Millionen in ihren Bann. Der Secret Service ist alarmiert.

Moritz Koch, Washington

Es gibt Obama-Kekse zum Frühstück an diesem Morgen. In einer Latino-Wohngegend in Washingtons Stadtteil Mount Pleasant stehen die Leute Schlange, um sich beim Bäcker eine Portion des neuen Amerikas abzuholen - überzogen mit rot-blauer Zuckerglasur.

Amerikas Hoffnungsträger: Barack Obama. (Foto: Foto: AFP)

"Hope, sweet hope", dröhnt es zu Reggae-Rhythmen von der Straße, die Anwohner in klirrender Kälte mit Luftballons schmücken.

Zur gleichen Zeit in Philadelphia, 200 Kilometer nordöstlich, steigt Barack Obama in den Bummelzug, der ihn nach Washington bringen soll - auf ähnlicher Strecke wie sein Vorbild Abraham Lincoln im Jahr 1861.

Die neue Ära hat sich Zeit gelassen. Doch am Dienstagmittag, zweieinhalb Monate nach dem historischen Wahlsieg des schwarzen Senators, soll das neue Kapitel in der Geschichte endlich anbrechen, das er seinem Land versprochen hat. 1,5 Millionen Amerikaner wollen dabei sein, wenn Obama auf den Stufen des Kapitols den Amtseid spricht. Sein Vorgänger George W. Bush brachte gerade 300.000 Leute auf die Straße, unter ihnen etliche Demonstranten.

Händler mit Obama-Andenken

Auch dieses Mal haben sich Protestler unter die Menge gemischt. Aber es sind nur eine Handvoll. Kommunisten warnen über Megaphone vor dem falschen Glauben in den Wandel und christliche Fundamentalisten kündigen auf Plakaten und Flugblättern die Tage des jüngsten Gerichts an. Das Straßenbild aber dominieren andere.

An jeder Ecke stehen die Händler mit ihren Obama-Andenken. Der neue Präsident prangt auf Dutzenden T-Shirts, mal Rockstar, mal Rapper, mal Superheld. Er verziert Uhren und Krawatten, strahlt von Kaffeetassen und Anstecknadeln.

Die Bürokratenstadt Washington hat sich auf den Ausnahmezustand vorbereitet. Das Zentrum wird weiträumig abgesperrt. Die Sicherheitsvorkehrungen erinnern viele Einwohner an die Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. 20.000 Einsatzkräfte wurden in der Hauptstadt zusammengezogen, sie postieren sich auf Dächern, patrouillieren in Parkanlagen und beziehen Posten an Verkehrsknotenpunkten. Helikopter kreisen über der Stadt, Armeejeeps kreuzen durch die Straßen. Zwischen 50 Behörden muss der Einsatz koordiniert werden.

Secret Service alarmiert

Zwar gäbe es keine glaubhafte Drohung gegen die Feierlichkeiten, heißt es beim FBI. Aber man will vorbereitet sein, besonders auf mögliche Anschläge auf sogenannte weiche Ziele, wie Hotels, Bars, Cafés, Busse und Züge. Der Terror in Mumbay hat den Secret Service alarmiert. Geheimagenten schwärmen aus bis in die Vororte in Maryland und Virginia, um nach verdächtigen Besuchern Ausschau zu halten.

Doch von Angst oder auch nur Beunruhigung ist inmitten der Menschenmassen nichts zu spüren. Fast eine halbe Million Menschen standen am Sonntag vor dem Lincoln Memorial. Beim Obama-Empfangskonzert huldigten Bruce Springsteen und Beyoncé, Bono und Stevie Wonder, Sheryl Crow und Shakira ihrem politischen Idol. Erst lauschten die Zuhörer fast andächtig der Musik, doch langsam steigerte sich die Stimmung in einen nationalen Freudentaumel, der seinen Höhepunkt fand, als der umjubelte Wahlsieger für ein paar Minuten das Wort ergriff.

Es war eine Gratwanderung für Obama, bereits am Sonntag, aber erst recht wird es dies sein bei seiner großen Rede am Dienstag. Er muss einer verunsicherten Nation die Zuversicht zurückgeben. Aber gleichzeitig gilt es, sich und seine Regierung vor übertriebenen Erwartungen zu schützen. Er wird die Wirtschaftskrise nicht mit Dekreten beseitigen können. Das gewaltige Konjunkturpaket, mit dem er die Rezession bekämpfen will, wird vielleicht das Schlimmste verhindern, die Lage schlagartig verbessern wird es nicht.

Und so stimmte Obama vor der monumentalen Kulisse nachdenkliche Töne an. "Es wird länger dauern als einen Monat oder ein Jahr, wahrscheinlich viele Jahre. Es wird Rückschläge geben auf diesem Weg, Fehlstarts und Tage, die unsere fundamentale Entschlossenheit testen", sagt er.

"Doch was mir, während ich hier stehe, die größte Hoffnung gibt, ist nicht der Stein und der Marmor, der uns heute umgibt, sondern das, was die Lücken dazwischen füllt. Ihr seid es, Amerikaner aller Rassen und Religionen, die ihr hierhergekommen seid, weil ihr daran glaubt, was dieses Land sein kann und weil ihr helfen wollt, uns dorthin zu bringen."

Und so soll die Party weitergehen. Die Nation will ihre Zukunftsängste abschütteln. Auf Bällen, Konzerten und Empfängen, die Washington bis Mittwoch in Atem halten werden.

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