NSU-Prozess:"Frau Zschäpe ist nicht ordnungsgemäß verteidigt!"

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  • Die Ankündigung Zschäpes, am Mittwoch auszusagen, hat vor allem eines bewirkt: Der Konflikt unter ihren Anwälten bricht voll aus.
  • Drei der vier Verteidiger wollen ihr Mandat niederlegen.
  • Die Stimmung ist aufgeheizt, es kommt zu Wortgefechten.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Kaum hat Richter Manfred Götzl im NSU-Prozess alle begrüßt, möchte Beate Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer das Wort erhalten. Doch Götzl will zuerst selbst etwas verkünden, ein Wortgefecht bricht aus. Heer sagt: "Frau Zschäpe ist jetzt nicht ordnungsgemäß verteidigt!" Und fügt hinzu, Götzl riskiere einen Revisionsgrund. Die Stimmung ist gereizt einen Tag nach der sensationellen Ankündigung, dass Zschäpe sich am Mittwoch erstmals zur Sache äußern will.

Heer und seine beiden Kollegen Wolfgang Stahl und Anja Sturm fordern in einem eindringlichen Antrag, endlich von ihrem Mandat entbunden zu werden. Sie haben eine Aussage ihrer Mandantin stets für die falsche Verteidigungsstrategie gehalten - und sind von Zschäpes Kehrtwende überrascht worden. Die drei Anwälte werfen Götzl vor, er habe sie nicht rechtzeitig informiert.

Denn wie sich nun herausstellt, hatte bereits Ende August ein Kanzleikollege von Zschäpes neuem Anwalt Mathias Grasel dem Richter mitgeteilt: Die Angeklagte erwäge, sich in der Hauptverhandlung schriftlich zu äußern. Und bereits im September soll Grasel dann dem Gericht angekündigt haben, im November könnte eine Erklärung abgegeben werden. Es dauerte noch eine Weile, bis der 11. November als Termin festgelegt wurde. Offenbar waren Heer, Stahl und Sturm in all diese Gespräche nicht eingebunden.

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Ihr Pflichtverteidiger wird für sie sprechen - er ist erst im Sommer als Anwalt in das Verfahren eingestiegen.

Von Tanjev Schultz

Zschäpe ignoriert ihre alten Anwälte

Und so geht nun der Verteidigerstreit in eine neue Runde. Zschäpes Altverteidiger sehen keinen Platz mehr für sich in diesem Prozess. Als ihre Mandantin an diesem 243. Verhandlungstag in den Saal kommt, ignoriert sie die drei Anwälte routiniert. Zschäpe spricht nur noch mit Grasel, der jetzt ihr Vertrauen genießt und die Erklärung morgen in ihrem Namen verlesen will. Auf Nachfrage stellt er klar: Anschließend werden Zschäpe und er sogar Fragen beantworten - allerdings nur die der Richter, nicht die der Nebenkläger (der Vertreter der Opfer).

So weit ist es aber noch nicht. Erst einmal geht es jetzt um den Antrag der drei Verteidiger, mit denen sich Zschäpe überworfen hat. Er strahlt sogar fast so etwas wie juristische Würde aus. Es ist zu spüren, dass hier drei Anwälte ihre Selbstachtung nicht verlieren wollen. Wolfgang Heer trägt vor: "Unsere Verteidigerbestellungen sind nur noch Fassade und dienen erkennbar nur der Aufrechterhaltung des Scheins einer ordnungsgemäßen Verteidigung." Der mutmaßliche Wille Zschäpes, ihre Verteidigung künftig anderes zu gestalten, sei zu respektieren.

Der Konflikt in der Verteidigung bricht nun voll aus

Allerdings dürfe sie auch eine "den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren genügende Verteidigung erwarten". Und eben diese sei derzeit nicht mehr gegeben. Faktisch habe Götzl die Verteidigung nur noch in die Hände eines einzigen Anwalts gelegt. Gemeint ist Grasel, der erst in diesem Sommer in den seit zweieinhalb Jahren laufenden Prozess als vierter Pflichtverteidiger eingestiegen ist.

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"Eine Verteidigung im Sinne der Interessen unserer Mandantin wird uns künftig nicht mehr möglich sein", sagt Heer. Denn es sei zu befürchten, dass jegliche Aktivitäten, sei es die Befragung von Zeugen, die Abgabe von Erklärungen, das Anbringen von Anträgen "einem uns möglicherweise nicht bekannten Verteidigungskonzept zuwiderliefe".

Die Ankündigung, dass Zschäpe ihr Schweigen brechen wird, hat also zunächst einmal nur eines bewirkt: dass der seit Monaten schwelende Konflikt in der Verteidigung voll ausbricht. Für das Gericht ist das eine wirklich heikle Situation. Denn es kann die drei Anwälte nicht einfach von dem Mandat entbinden, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass der gesamte Prozess platzt. Bisher haben die Richter sämtliche Anträge Zschäpes, die drei Anwälte loszuwerden, zurückgewiesen - ebenso wie den Wunsch der Anwälte, von dem Mandat befreit zu werden. Auch diesmal könnte das so ausgehen. Doch diesmal ist der Konflikt besonders tiefgreifend.

In dieser Situation taucht nun noch ein fünfter Anwalt auf: Hermann Borchert, Grasels Kanzleikolllege. Er war es, der bereits erste Gespräche mit Götzl im Sommer geführt haben soll - und das, wie Zschäpes Altverteidiger kritisieren, ohne überhaupt förmlich in das Verfahren eingebunden gewesen zu sein. Erst heute soll Borchert angezeigt haben, dass auch er Zschäpe vertritt.

Die Hauptverhandlung ist nun erst einmal bis zum späten Nachmittag unterbrochen. Die Verteidigung von Zschäpes Mitangeklagtem Ralf Wohlleben hat angekündigt, sie wolle ein Ablehnungsgesuch gegen die Richter vorbereiten, also einen Befangenheitsantrag

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