NSU-Prozess:Zschäpe will nach zwei Jahren ihr Schweigen brechen

Beate Zschäpe

Im Verhandlungssaal des Münchner Oberlandesgerichts blieb die Hauptangeklagte Beate Zschäpe beharrlich stumm.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Die der Mittäterschaft an zehn Morden angeklagte Beate Zschäpe will nach zwei Jahren erstmals vor Gericht eine Erklärung abgeben.
  • Sie wird nicht selber aussagen, sondern ihren Anwalt einen Text in ihrem Namen verlesen lassen.
  • Vor allem die Angehörigen der Opfer hoffen, dass Zschäpe viele offene Fragen klären kann.

Von Tanjev Schultz

Beate Zschäpe will reden. An diesem Mittwoch, dem 244. Verhandlungstag im NSU-Prozess, soll es so weit sein. Das hat Zschäpes neuer Anwalt Mathias Grasel mitgeteilt. Er werde eine umfangreiche Einlassung machen, sagte er am Montag der Süddeutschen Zeitung. Es werde sowohl um die Person Zschäpes gehen als auch um die Sache, also um die Vorwürfe gegen seine Mandantin. Offenbar ist nicht geplant, dass Zschäpe selbst ihre Stimme erhebt. Ihr Pflichtverteidiger, der erst im Sommer als Anwalt in das Verfahren eingestiegen ist, wird für sie sprechen.

Als sie sich der Polizei stellte, kündigte sie eine Aussage an. Seitdem schweigt sie

Immer wieder war in den vergangenen Wochen darüber spekuliert worden, dass Zschäpe ihr Schweigen brechen wolle. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr Mittäterschaft bei zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen vor; zudem schwere Brandstiftung und versuchten Mord. Die Verteidigungsstrategie der ursprünglichen drei Pflichtverteidiger, mit denen Zschäpe sich überworfen hat, bestand im beharrlichen Schweigen zu den Vorwürfen. Doch von Anfang an gab es Anzeichen dafür, dass Zschäpe mit sich ringt und womöglich aussagen will.

Am 8. November 2011 hatte sie sich der Polizei gestellt. Damals notierte ein Beamter, sie habe dieses kundgetan: Sie habe sich nicht gestellt, um dann nicht auszusagen. Mit anderen Worten: Sie hätte reden wollen. Doch zunächst entschied sie sich anders, zumal auf Anraten der Verteidiger.

Doch im Laufe der zweieinhalb Jahre, die der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht läuft, distanzierte sich Zschäpe von ihren Verteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. In einem ihrer Anträge, die drei loszuwerden, stellte sie den Richtern in Aussicht, sie erwäge, etwas zu sagen. Mit den drei Anwälten sei das aber nicht zu machen.

Richter Manfred Götzl entband Heer, Sturm und Stahl zwar nicht von dem Mandat, stellte Zschäpe aber den jungen Münchner Anwalt Mathias Grasel als vierten Verteidiger zur Seite. Und er ist offenkundig dazu bereit, Zschäpes Willen zu erfüllen. Ob dieses späte Reden im Falle einer Verurteilung für das Strafmaß noch bedeutsam ist, hängt davon ab, was Zschäpe nun erklären lässt.

Die Angehörigen hoffen auf Antworten

Die Beweisaufnahme im Gericht ist bereits weit fortgeschritten. In vielen Punkten hat sie die Anklage bestätigt und keineswegs entkräftet. Zschäpe müsste schon grundlegende neue Informationen preisgeben, um das Bild, das sich die Richter und die Öffentlichkeit bisher von ihr und von den Taten gemacht haben, zu verändern.

Die Anklage wirft Zschäpe nicht vor, bei den Verbrechen persönlich an den Tatorten der Morde und Anschläge zugegen gewesen sein. Sie soll aber eng mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zusammengearbeitet und unter anderem für die Tarnung des Trios gesorgt haben. Viele Fragen sind allerdings derzeit offen - beispielsweise die, wie der NSU seine Opfer ausgewählt hat. Deren Angehörige hoffen nun darauf, dass Beate Zschäpe dazu beiträgt, solche Fragen zu beantworten. Es ist allerdings möglich, dass Zschäpe und ihr Anwalt es bei einer vorgetragenen Erklärung belassen wollen - und anschließend zu allen Fragen des Gerichts wieder schweigen werden.

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