NSU-Prozess:Mutter von Mordopfer appelliert an Zschäpe

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Halit Yozgat wurde 2006 vom NSU ermordet. Im NSU-Prozess hat nun seine Mutter das Wort ergriffen. Die türkische Frau wendet sich mit einer eindringlichen Bitte direkt an die Angeklagte Beate Zschäpe.

Von Tanjev Schultz, München

Schon am Vortag gab es im NSU-Prozess bewegende Momente, als der Vater eines Mordopfers als Zeuge ausgesagt hat. Am Mittwoch setzt sich das fort, als die Mutter des ermordeten Halit Yozgat das Wort ergreift und sich direkt an Beate Zschäpe wendet: "Sie sind auch eine Dame. Ich spreche Sie als Mutter an. Ich bitte Sie, dass Sie all diese Vorfälle aufklären. Weil Sie eine Frau sind, denke ich, dass die Frauen sich gegenseitig verstehen."

Seit sieben Jahren würde sie kaum schlafen können, sagt Ayse Yozgat auf Türkisch, ein Dolmetscher übersetzt: "Ich habe immer gedacht: Warum konnte es geschehen?" Sie bittet Zschäpe, sie zu erlösen und die Taten aufzuklären. Beate Zschäpe hört, so wirkt es, sehr aufmerksam zu, still und ohne körperliche Regung.

Die Rede der Mutter, deren damals 21-jähriger Sohn Halit im April 2006 in Kassel erschossen wurde, ist anrührend, aber auch geschickt. Sie unterstellt nicht, dass Zschäpe selbst etwas mit dem Mord, den die Ermittler dem NSU zuschreiben, zu tun hatte. Doch Aufklärung sei nötig, Zschäpe soll reden - "nicht, dass Sie die Sünden von anderen übernehmen", sagt Ayse Yozgat. Dann bedankt sich die trauernde Mutter und wendet sich am Schluss erneut an Zschäpe: "Denken Sie bitte immer an mich, wenn Sie sich ins Bett legen. Denken Sie daran, dass ich nicht schlafen kann!"

Anschließend setzt das Gericht die Befragung von Zeugen zu dem Kasseler Mord fort. Darunter ist ein BKA-Beamter, der auch über die Ermittlungen zu dem Verfassungsschützer Andreas T. berichtet, der damals in dem Internetcafe saß, in dem Halit Yozgat erschossen wurde.

Der Verdacht, Andreas T. könnte etwas mit dem Mord zu tun haben, ließ sich zwar nicht erhärten. Aber die Nebenkläger halten viele Fragen noch für ungeklärt. Sie verlangen, dass sämtliche Akten zu Andreas T. beigezogen werden; bisher liegt ihnen nicht alles vor. Interessant erscheint den Nebenklägern, dass Andreas T., Deckname "Alex", der mittlerweile nicht mehr beim Verfassungsschutz tätig ist, für einen V-Mann aus der Neonazi-Szene zuständig war: Benjamin G..

Mit ihm hat der Beamte auch am Tag des Mordes recht lange telefoniert. In dem Gespräch soll es, so Andreas T., nur um Finanzielles gegangen sein. Auch mehrere Tage nach dem Mord gab es noch Kontakte zwischen den beiden. Sie duzten sich. In einer Zeugenvernehmung sagte Benjamin G., er habe Andreas T. später bei einem Treffen auf den Mord angesprochen, weil er neugierig gewesen sei, ob der Beamte etwas darüber wissen würde. Angeblich reagierte Andreas T. nervös, das Thema sei dann gewechselt worden.

Wie stern.de berichtet, zeigen Aktenvermerke, dass Benjamin G. sich noch am 28. April 2006, als die Ermittler Andreas T. als Verdächtigen bereits im Visier hatten, bei dem Beamten meldete. Er soll ihm auf die Mailbox seines bereits abgeschalteten Diensthandys gesprochen haben: "Hi Alex, ich bin's, Benni. Ich wollte dir nur sagen, es ist Post gekommen. Ne, wenn de dein Handy anmachst, kannste ja mal anrufen."

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