NPD wirbt um gewaltbereite Fußballfans:Rechtsextreme Flügelstürmer

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Liefert die Fußballszene Argumente für ein NPD-Verbotsverfahren? Immer wieder kokettieren gewaltbereite Hooligans mit dem Nationalsozialismus und seinen Symbolen, bedrohen und attackieren antirassistische Fans. Zahlreiche Beispiele belegen, dass die NPD versucht, solche gewaltbereiten Fans für die Partei anzuwerben.

Ronny Blaschke

Und wieder muss sich eine Staatsanwaltschaft mit Fußball beschäftigen. Vor zwei Wochen sollen Fans des FSV Zwickau während eines Heimspiels gegen Aue die Terrorzelle besungen haben, die mindestens zehn Morde zu verantworten hat. Im Stadion wurde auch die norwegische Flagge gesichtet, vermutlich als Hommage an den Massenmörder Anders Breivik. In der Kabine hat ein Spieler die ausgelassenen "Sieg"-Rufe der Mannschaft mit einem "Heil" ergänzt. Gegen den Spieler wird wegen des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen ermittelt.

Hitlergruß auf der Tribüne: Beim Spiel Dynamo Dresden gegen Erzgebirge Aue zeigen Dynamo-Fans offen ihre Gesinnung. (Foto: picture-alliance/dpa)

Es ist nicht das erste Mal, dass Fußballfans in Sachsen mit Terror und Nationalsozialismus kokettieren. In Leipzig formierten sich Jugendliche während eines Nachwuchsspiels 2006 auf der Tribüne zu einem lebenden Hakenkreuz. In Dresden haben Fans von Dynamo 2007 einen Handzettel entworfen, der ein historisches Foto von Juden auf dem Weg ins KZ zeigt, ergänzt durch das Wappen ihres sportlichen Rivalen Lok Leipzig und den Schriftzug "Endstation Dresden". In der Kleinstadt Brandis wurden 2009 Spieler des Bezirksklasseklubs Roter Stern Leipzig während eines Spiels von 50 Neonazis überfallen.

Dokumentiert sind Dutzende Schmähungen, Drohungen, Angriffe auf antirassistische Fans außerhalb der Stadien. Und das sind nur die sichtbaren Zeichen einer Bewegung im Fußball, die sich wie überall in der Gesellschaft in subtile Erscheinungsformen und Codierungen flüchtet, vor allem im Osten, aber auch in anderen Teilen der Republik.

Was das mit der NPD zu tun hat? Holger Apfel hat die Partei 2004 in den sächsischen Landtag geführt, der Journalist Christoph Ruf hat ihn 2008 für ein Buch über die Fußballprovinz interviewt, darin sagt Apfel: "Es geht mir darum, die NPD in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Da ist Dynamo Dresden ein gutes Beispiel, auch Erzgebirge Aue und Lokomotive Leipzig. Das sind Vereine mit einem großen Potential, mit großer Akzeptanz im Volk. Deren Anhänger versuchen wir an die Partei heranzuführen."

Mitte November wurde Apfel nun zum Parteivorsitzenden gewählt, er möchte der NPD einen bürgerlichen Anstrich verpassen. Doch gerade seine Verbindungen zum Fußball zeigen: Schein und Sein haben wenig miteinander zu tun.

Holger Apfel möchte nicht über seine Verbindungen zu Hooligans sprechen, auch auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung reagiert er nicht. Daher müssen einige seiner Aktivitäten für ihn sprechen: Im August 2009, eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen, besuchte er im Wahlkampfbus das Leipziger Fußballderby zwischen dem 1. FC Lok und dem FC Sachsen.

Rechte Propaganda-CDs auf Schulhöfen

Im Umfeld des Zentralstadions verteilten die NPD-Leute Programme und Schulhof-CDs. Danach ließ Apfel eine Mitteilung verbreiten: "Dieses Zeichen ist mir wichtig angesichts des Einstiegs des Getränkeherstellers Red Bull beim SSV Markranstädt und dem Eintrag von RB Leipzig ins Vereinsregister, denn der Einstieg von Red Bull wird gravierende Auswirkungen auf den Fußballsport im Freistaat haben. Wir werben dafür, dass es in Sachsen künftig nicht nur durchkommerzialisierten Retorten-Fußball gibt, bei dem die Fans nur noch zu einer identitätslosen Masse von Konsumenten degradiert werden."

Apfel kleidete seinen Kurs gegen die Globalisierung in harmlose Fußball-Begriffe, ohne Hetze. Unerwähnt ließ er die Begleiter seiner Wahlkampftour: zum Beispiel Enrico Böhm, der zu jenem Zeitpunkt strafrechtlich kein unbeschriebenes Blatt war. Böhm zählte damals zu den wichtigsten Mitarbeitern der NPD-Landtagsfraktion, die durch ihre Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung das Gerüst für die Bundes-NPD bildet.

Böhm hatte sich ab 2004 als fleißiger Helfer von Lokomotive Leipzig und als lautstarker Fan in der Kurve einen Namen gemacht. Im Stadion waren die Grenzen zwischen Fans, Hooligans, Rockern und Neonazis fließend, sie predigten dieselben Motive: Kameradschaft, Heimat, Treue. Böhm, damals Mitte zwanzig, strebte Richtung Politik. Er verkaufte im Fanprojekt Literatur über Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und organisierte dort im Februar 2008 ein Treffen von Neonazis und Parteikadern.

Nachdem Böhm Hausverbot erhielt, verlagerte er seine Arbeit ins Internet. Auf seiner Fußballseite mischte er Stadionfotos mit Propaganda, mit der Forderung "Todesstrafe für Kinderschänder", Hinweisen für Aufmärsche, Werbung für Hooligan-Konzerte.

Böhm wurde 2008 als Mitarbeiter der NPD engagiert, er stellte für Holger Apfel eine Verbindung in eine chauvinistische, rechtsoffene Jugendkultur her. Böhm mobilisierte Fans für Parteidienste, sie nahmen an Demonstrationen teil, traten als Ordner auf, klebten Plakate, sammelten Spenden. Dass viele durch Gewalt aufgefallen waren und 2008 während einer Weihnachtsfeier im Leipziger NPD-Büro Flaschen auf Polizisten warfen, schien Holger Apfel nicht zu stören.

Unter dem Namen von Helmut Herrmann, dem NPD-Kreisvorsitzenden in Leipzig, durfte Böhm eine beschwichtigende Pressemitteilung über den Vorfall verfassen, auch über sich selbst. Dass Mitglieder seines Fanklubs hin und wieder im Gefängnis sind, kommentierte Böhm auf seiner Internetseite so: "Die Staatsmacht versucht weiterhin, jede Gelegenheit zu nutzen, um uns knechten zu können. Doch wir bleiben standhaft!"

"FC Nationaler Widerstand Leverkusen"

Im Sommer 2009 wurde der gewaltbereite Böhm von der NPD als Kandidat für die Leipziger Stadtratswahl aufgestellt, er scheiterte knapp. Nach dem Wiedereinzug in den sächsischen Landtag trennte sich die Partei im September 2009 von Böhm. Auf Verbindungen ins Fußballmilieu verzichtet Apfel aber trotzdem nicht. Einer seiner Leibwächter war jahrelang als Hooligan in Sachsen unterwegs, er fuhr einen weißen Laster, auf dem geschrieben stand: "Rudolf Heß - Mord verjährt nicht."

Holger Apfel ist nicht der einzige NPD-Funktionär, der sich gemäßigt geben will, aber von den Überschneidungen zwischen Fußball- und Neonaziszene profitiert - und dabei Gewalt toleriert. Stephan Haase, ehemals NPD-Chef in Nordrhein-Westfalen und seit 2007 Schiedsrichter in der Kreisliga, pfiff im Juli 2010 ein Turnier, bei dem die Teams Namen trugen wie: NS Wuppertal, Nationaler Widerstand Leverkusen, Skinhead Front Dorstfeld.

Sascha Wagner, stellvertretender NPD-Chef in Rheinland-Pfalz, half im August bei der Organisation eines Konzertes der Hooligan-Band Kategorie C. Deren Sänger, Hannes Ostendorf, wurde wegen schweren Hausfriedensbruchs verurteilt, weil er 2007 an einem Überfall auf Fans im Bremer Weserstadion beteiligt war.

Der deutsche Staatsschutz sucht nun im Umfeld der Zwickauer Terrorzelle nach Verbindungen zwischen der Fußballszene und rechtsradikalen Kameradschaften. Ob er hier auch Argumente für ein Verbotsverfahren der NPD findet? Für Verstrickungen zwischen militanten Neonazis und Parteikadern? In Leipzig sollen Rechtsextreme die Fangruppe Blue Side Lok gewaltsam zur Auflösung gedrängt haben, weil ihnen der antirassistische Kurs nicht gefallen habe. Als Druckmittel, so schildern es Beteiligte, die nicht genannt werden wollen, hatten die Rechtsextremen eine Pistole dabei.

© SZ vom 07.12.2011/hü - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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