Norwegen:Gefährlicher Gefangener

Anders Breivik will auch aus dem Knast als Rechtsextremist agieren.

Von Silke Bigalke

Als sich ein norwegisches Gericht vorige Woche das Gejammer von Anders Behring Breivik anhörte, schüttelten viele den Kopf. Über den Kläger, also Breivik, weil man es doch nicht ernst nehmen könne, wenn ein Massenmörder über kalten Knast-Kaffee klage. Über den Beklagten, also den Staat Norwegen, weil er offenbar naiv genug sei, das ernst zu nehmen. Beides greift zu kurz.

Breiviks absurdes Gejammer über die Haftbedingungen verleitet dazu, ihn selbst nicht für voll zu nehmen. Doch dem Terroristen geht es um mehr als die Kost hinter Gittern. Er hat eine Botschaft und wird alles tun, diese in die Welt zu senden. Auch deswegen klagt er. Er will ungehindert Briefe an Rechtsextreme schicken, seine Ideen veröffentlichen, politisch aktiv sein. Womöglich will er andere inspirieren. Breivik ist nicht irrational, er ist auch als Gefangener gefährlich.

Über die Norweger den Kopf zu schütteln, die ihm mit dem Prozess ein Forum bieten, wäre ebenso falsch. Sie erdulden ihn, weil sie an den Rechtsstaat glauben. Breivik hat seine 77 Opfer nicht als Menschen betrachtet. Norwegen will ihn, den Täter, aber als Menschen behandeln. Nun stellt sich der Mörder selbst als Opfer dar. Norwegen hört diese seine Klage an, und alles fällt an seinen Platz: Während Breivik sich vor Gericht einmal mehr als kalt, selbstsüchtig und ideologisch fehlgeleitet entlarvt, beweist er zugleich, wie menschlich er dennoch behandelt wird.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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