Angesichts der großen Krisen dieser Tage kann man derzeit nur eines positiv festhalten: Es mangelt nicht an Kontakten und Gesprächen. Die ganze Woche schon haben sich Staatschefs und Außenminister in New York getroffen, um über die Flüchtlingskrise, den Krieg in Syrien oder den Nahostkonflikt zu reden. Und bevor die Woche zu Ende geht, werden sich am Freitag die Staats- und Regierungschefs von Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland in Paris zusammensetzen, um auch beim Konflikt in der Ostukraine endlich weitere Fortschritte zu erzielen.
Anders als im Frühjahr in der weißrussischen Hauptstadt Minsk geht es in Paris nicht darum, unter allen Umständen eine Vereinbarung zum Schweigen der Waffen zu erreichen. Mit einem gewissen Stolz heißt es in Paris sogar, dass man das ja immerhin längst erreicht habe. Damals seien täglich 30 Menschen gestorben, nun aber werde der Waffenstillstand recht stabil eingehalten. Nach Einschätzung der Regierungen in Paris und Berlin dürfte deshalb vor allem eine Frage im Vordergrund stehen: Wie kann es gelingen, in der von Separatisten beherrschten Ostukraine Lokalwahlen zu organisieren, die das Wort freie und faire Wahlen wirklich verdienen.
Genau diese waren, als Kernpunkt einer politischen Lösung, in Minsk vereinbart worden. Noch heute erinnern sich Teilnehmer der Nacht von damals gut daran, wie die Frage in der russischen Delegation für Debatten gesorgt hatte. Ausgehandelt wurde in Minsk, dass solche Wahlen unter Beobachtung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und ihrer Unterorganisation zur Förderung von Menschenrechten und demokratischen Wahlen (Odihr) durchgeführt werden sollten.
Separatisten planen ihre eigenen Wahlen
Bislang aber wehren sich die Separatisten und planen eigene Wahlen, die für den 18. Oktober und 1. November in den größeren Städten der Separatistengebiete angesetzt sind. Sollten diese Urnengänge nicht abgesagt werden, könnte das nach Einschätzung westlicher Diplomaten den politischen Prozess massiv gefährden. Deshalb wollen Frankreichs Präsident François Hollande und Kanzlerin Angela Merkel darauf drängen, sie zu verschieben. Ziel ist es, die Bedingungen für lokale Wahlen in der Kontaktgruppe auszuhandeln - und zwar auf der Grundlage ukrainischer Gesetze. Das heißt nicht, dass sie überall am gleichen Tag stattfinden müssten. Garantiert werden müsse nur eine " Homogenität für die gesamte Ukraine" - das heißt: gleiche Bedingungen überall im Land, auch in den Separatistengebieten.
Bei dem Treffen wird es auch um weitere Schritte zu mehr Sicherheit und um die humanitäre Lage in der Ostukraine gehen. Zuletzt hatte es vor allem beim Abzug von Waffen kleine Fortschritte gegeben, so war in der Nacht auf Mittwoch ein weiterer Rückzug leichter Waffen vereinbart worden. Wirklich gut, so heißt es in Diplomatenkreisen, ist die Lage gleichwohl nicht, auch wenn die Anfang September ausgehandelte Waffenruhe besser hält als alles, was zuvor zugesagt worden war. Zudem steht der Abzug schwerer Waffen weiter aus, obwohl der schon in Minsk ausgehandelt worden war.
Hilfslieferungen stapeln sich und werden nicht verteilt
Widersprüchliche Signale gibt es auch beim Blick auf die humanitäre Lage in der Ostukraine. Erst vor wenigen Tagen hatten die Separatistenführer zahlreiche Hilfsorganisationen ausgewiesen. Allein das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK darf seither noch dort aktiv sein. Die Folge: Mittlerweile stapeln sich die Hilfslieferungen und werden nicht verteilt. Bald beginnt die kalte Jahreszeit; für die Menschen in den Separatistengebieten ist das keine gute Perspektive.
Nimmt man alles zusammen, dann gibt es genug Stoff für die angesetzten knapp vier Stunden. Trotzdem rechnen derzeit alle damit, dass in Paris auch Syrien ein Thema sein wird, mindestens in den bilateralen Treffen mit Putin, die vor dem Vierer-Gipfel angesetzt sind. Dort dürften Hollande und Merkel Putin massiv drängen, mit den Luftangriffen nicht jede Chance auf eine Verhandlungslösung zu zerstören. Sollte Russland sich nicht auf Angriffe gegen den IS beschränken, dürfte jede Chance auf eine Zusammenarbeit in Syrien dahin sein.