Nordrhein-Westfalen:Gefährliche Spaziergänger

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Sie patroullieren scheinbar harmlos durch Großstädte - eine Mischszene aus Rechten, Rockern und Wutbürgern: NRW-Innenminister Reul warnt nun vor "Bürgerwehren".

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat am Mittwoch vor selbst ernannten "Bürgerwehren" gewarnt, die in mehreren NRW-Großstädten regelmäßig patrouillieren und vor angeblicher Überfremdung und Ausländerkriminalität warnen. Diese "Mischszene" aus Rechtsextremisten, Rockern, Hooligans und "Wutbürgern" versuche, sich durch scheinbar harmlose "Spaziergänge" auch für unpolitische Bürger "anschlussfähig zu machen". "Grenzen Sie sich ab, machen Sie nicht mit", appellierte Reul während einer Aktuellen Stunde im Landtag in Düsseldorf an die Bevölkerung. Der CDU-Politiker warf der AfD vor, mit falschen Behauptungen etwa von einem vermeintlich wehrlosen Rechtsstaat den Nährboden für die "Bürgerwehren" zu schaffen.

Reul schätzt, dass in NRW etwa 250 Aktivisten den harten Kern der neuen Gruppierungen ausmachen. Diese könnten momentan bis zu 700 Menschen zu einzelnen Demonstrationen mobilisieren. Verfassungsschützer in NRW beobachten, dass sich die diversen Gruppen aus Essen ("Steeler Jungs"), Herne ("Besorgte Bürger"), Düsseldorf ("Bruderschaft Deutschland") oder Mönchengladbach ("Mönchengladbach steht auf") zunehmend vernetzen. Auch sollen führende Köpfe der in einheitlicher, meist schwarzer Kleidung auftretenden Gruppen rege Kontakte ins rechtsextreme Milieu pflegten, also etwa zur neonazistischen Partei "Die Rechte" mit Schwerpunkt in Dortmund sowie zur "Identitären Bewegung".

Grüne fordern, "Bürgerwehren" gezielt vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen

Bei der Debatte im Landtag warnten alle Parteien vor einer neuen Form des Rechtsextremismus. Für die Grünen, die die Aktuelle Stunde beantragt hatten, forderte die innenpolitische Sprecherin Verena Schäffer, die Landesregierung solle die "Bürgerwehren" gezielt vom Verfassungsschutz beobachten lassen. Es bestehe "kein Zweifel" an der Gewaltbereitschaft und der Verfassungsfeindlichkeit der Gruppierungen. Innenminister Reul erwiderte später, eine formelle Beobachtung sei zwar "juristisch nicht ganz einfach." Aber er fügte hinzu: "Sie können sicher sein, dass wir das im Blick haben." Der SPD-Abgeordnete Sven Wolf lobte Minister Reuls Kurs und mahnte, ein Rechtsstaat dürfe "keine Parallel-Justiz oder Parallel-Polizei" selbst ernannter Ordnungshüter dulden. Der FDP-Abgeordnete Marc Lürbke sagte, mit den "Bürgerwehren" versuche der Rechtsextremismus "sich unter die Leute zu mischen." Lürbke hielt den AfD-Abgeordneten im Saal vor, ihre Parteifreunde würden "gern mal an Demonstrationen dieser Szene teilnehmen." Wörtlich fügte der Liberale hinzu: "Sie sind Teil dieser Entgrenzungs-Strategie von Rechtsextremisten."

Diesen Vorwurf wies AfD-Fraktionschef Markus Wagner zwar zurück. Zugleich jedoch warf er der schwarz-gelben Koalition wie auch der rot-grünen Vorgängerregierung vor, zu wenig für die innere Sicherheit im Bundesland getan zu haben. Zudem habe die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel seit 2015 einen "massiven Verlust an Heimatgefühl" verursacht. Unter dem Hohn der übrigen Fraktionen erklärte Wagner dann, die AfD sei im NRW-Landtag ab sofort "eine Bürgerwehr im Parlament".

© SZ vom 10.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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