Nordkoreanischer Waffenfrachter im Panamakanal:Kriegswerkzeug mit Zuckerglasur

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Was hat es mit der Waffensystem-Ladung des nordkoreanischen Frachters "Chong Chon Gang" auf sich? Kuba versucht, die Brisanz der Geheimfracht herunterzuspielen. Doch der Vorfall im Panamakanal könnte für beide Länder unangenehme Folgen haben.

Von Johannes Kuhn

Manchmal lassen sich Freundschaftsbekundungen durchaus wörtlich interpretieren: "Wir liegen im selben Schützengraben", proklamierte der nordkoreanische Generalstabschef Kim Kyok-sik Ende Juni bei seinem Besuch auf Kuba. Den Beweis dieser These, den nun die Marine Panamas gefunden hat, hätte er seinem Land allerdings womöglich lieber erspart.

Neun auseinandergelegte Raketen, zwei MiG-21-Kampfjets und Radar-Komponenten zweier Flugabwehrsysteme hatte der nordkoreanische Frachter Chong Chon Gang unter anderem geladen, versteckt unter 200.000 Säcken braunen Zuckers. Die brisante Fracht kommt aus Kuba, was die ganze Angelegenheit diplomatisch nochmals brisanter macht - und verwirrender.

Das Außenministerium in Havana bestreitet gar nicht, dass Kuba das Schiff beladen hat. Man habe Zucker nach Nordkorea geschickt, heißt es in einer Mitteilung, und, ach ja, auch "veraltete Waffen". Die seien zur Reparatur in das kommunistische Nordkorea gebracht worden, die Karibik-Nation werde sie später wieder zurückerhalten.

Auch Sicherheitsexperten bestätigen, dass es sich um Waffensysteme aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts handelt. "Als das Zeug neu war, hat Castro gerade Revolutionen geplant", spottet ein amerikanischer Regierungsangehöriger in der New York Times.

Zucker statt Devisen?

Dennoch geht die US-Regierung davon aus, dass das Geschäft gegen die UN-Sanktionen verstößt, die seit 2006 immer wieder verschärft wurden. Diese verbieten explizit Export und Import von Militärtechnik jenseits von Kleinwaffen. Allerdings: Reparaturaufträge sind nur tabu, wenn Pjöngjang dafür Geld erhält - von Lebensmittellieferungen als Kompensation ist keine Rede.

Wenn also Kuba, selbst nicht mit Devisen gesegnet, das unter chronischer Nahrungsknappheit leidende Nordkorea mit den 200.000 Zuckersäcken bezahlt hat, wie beispielsweise die Militär-Analysten der "IHS Jane's Intelligence" vermuten, könnte das Geschäft legal gewesen sein.

Das Regime der Kim-Dynastie ist international jedoch auch für seine Ambitionen bekannt, seiner chronischen Finanznot mit illegalen Waffengeschäften beizukommen. Ein UN-Bericht aus dem Juni listet Fälle aus den vergangenen Jahren auf, in denen das Land über Mittelsmänner versuchte, anderen Nationen Raketensysteme anzubieten - was angesichts der Sanktionen jedoch immer schwieriger wird.

Im Wall Street Journal vermuten Verteidigungsexperten deshalb, dass es sich bei den Reparaturarbeiten in Wahrheit um eine Aufrüstung der veralteten kubanischen Flugabwehr-Radarsysteme handele. Dafür spricht, dass Nordkorea in diesem Bereich als durchaus pasabel ausgestattet gilt - und mit einem Import veralteter Sowjet-Technik der Kubaner womöglich nichts anfangen könnte.

Sollten die Vereinten Nationen, die nun mit der Untersuchung des Falles beauftragt sind, Pjöngjang einen solchen Quasi-Waffenexport nachweisen, könnten die Sanktionen erneut verschärft werden.

Nordkorea, das erst in den vergangenen Jahren ein engeres Verhältnis zu Kuba pflegt, schien zumindest viel daran gelegen zu sein, die Entdeckung der Fracht zu verhindern: Fast fünf Tage dauerte es, bis die Behörden Panamas am Montag Zugriff auf die Chong Chon Gang erhielten. Die 35-köpfige Besatzung hatte sich offenbar, mit Stöcken bewaffnet, gegen die Überprüfung gewehrt. Der Kapitän, so heißt es, habe nach dem gewaltsamen Entern durch die Soldaten sogar einen Suizidversuch unternommen.

Die Chong Chon Gang war nicht zuletzt deshalb verdächtig, weil sie zum ersten Mal seit 2010 wieder in der westlichen Hemisphäre unterwegs war. Damals waren bei einer Kontrolle in der Ukraine Drogen und Schmugglerware gefunden worden.

Auch dieses Mal, betonen die Offiziellen Panamas, habe man ursprünglich nach Drogen gesucht. Allerdings beobachten die westlichen Geheimdienste Schiffe unter nordkoreanischer Flagge ohnehin genau - und die Tatsache, dass das Schiff nach dem Ablegen aus Kuba am 1. Juni für fast 40 Tage vom internationalen Seeradar verschwand, dürfte ihnen nicht entgangen sein.

Belastung der Gespräche

Panamas Präsident Ricardo Martinelli ließ es sich nicht nehmen, selbst in den Innenraum des Frachters zu steigen, um Fotos der Militär-Komponenten zu twittern. "Der Panamakanal ist ein Kanal des Friedens, nicht des Krieges", ließ er verlauten.

Der Fang ist für Martinelli ein Triumph. Der als äußerst US-freundlich geltende Präsident dürfte damit beim Verbündeten in Washington stark gepunktet haben.

Ganz anders sieht die Lage für Kubas Staatschef Raúl Castro aus. Für ihn bedeutet die Entdeckung eine weitere Belastung der Gespräche mit den USA. Dort soll es um eine leichte Normalisierung der Beziehungen gehen - eine allzu enge Freundschaft mit Nordkorea dürfte nicht zu einem angenehmen Gesprächsklima beitragen.

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