Nordatlantikpakt:"China stellt eine Bedrohung dar"

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Nach Ansicht des früheren Verteidigungsministers de Maizière rüstet die Volksrepublik massiv auf und verhält sich "aggressiv". Die Nato brauche dagegen eine eigene Strategie.

Von Daniel Brössler und Matthias Kolb, Berlin/Brüssel

Die Nato soll sich im Zuge einer grundlegenden Reform auch möglichen Gefahren aus China zuwenden. Das ist eine der zentralen Empfehlungen einer Expertengruppe unter Leitung des früheren deutschen Verteidigungsministers Thomas de Maizière (CDU) und des früheren US-Diplomaten Wess Mitchell. "China stellt eine potenzielle Bedrohung dar", sagte de Maizière der Süddeutschen Zeitung. Die Gruppe war vor einem Jahr nach Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron eingesetzt worden, die Nato sei "hirntot". Ihre Vorschläge sollen auch eine Antwort sein auf massive Spannungen innerhalb des Bündnisses während der Amtszeit des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump. Der Bericht mit 138 zum Teil präzisen Empfehlungen wurde am Dienstag beim virtuellen Treffen der Nato-Außenminister erstmals diskutiert.

China rüste massiv auf und verhalte sich in seinem Umfeld "aggressiv". Deshalb brauche die Nato eine "China-Strategie", sagte de Maizière. "Das heißt dezidiert nicht, dass aus dem transatlantischen auch ein indopazifisches Bündnis wird. Es gibt außerhalb des transatlantischen Raums keine Sicherheitsgarantie", betonte er. Alles, was China tue, könne aber auch Nato-Länder betreffen. Das gelte etwa für die Kontrolle wichtiger Infrastruktur oder Desinformation. Die Experten schlagen auch die Gründung eines eigenen Beratungsgremiums für den Umgang mit China vor.

Der Bericht zielt insbesondere auf eine Aktualisierung des von 2010 stammenden strategischen Konzepts der Nato und weitreichende Reformen innerhalb der Allianz ab. So soll ein Verhaltenskodex aufgestellt und es einzelnen Mitgliedern erschwert werden, Entscheidungen im Bündnis zu blockieren. Das gilt nicht zuletzt der Türkei, die mit ihrem militärischen Vorgehen in Syrien und Libyen Frankreich und weitere Verbündete massiv verärgert. Der Bericht rüttelt zwar nicht am Prinzip der Einstimmigkeit in der Nato, will Blockaden aber Ministern vorbehalten. "Der politische Preis für ein Veto wird so höher", sagte de Maizière.

Scharf wendet sich der CDU-Politiker gegen die Forderung Macrons nach einer strategischen Autonomie der Europäer. "Es ist unstreitig, dass die EU mehr für ihre eigene Sicherheit tun muss - aber nicht autonom", betonte er. Wie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) halte er solche Vorschläge für "entweder naiv oder gefährlich". Kritik übte de Maizière an der Europäischen Union. "Ich fände es gut, wenn die EU mehr handelt und weniger übertrieben redet", sagte er. In der Zusammenarbeit mit der Nato gebe es eine "Diskrepanz zwischen Rhetorik und Taten".

In der Videokonferenz sprachen die Außenminister auch über Afghanistan. Während Trump die Zahl der dort stationierten US-Soldaten bis Mitte Januar auf 2500 reduzieren will, warnt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor den negativen Folgen eines vorschnellen Abbruchs. Über die Zukunft des Nato-Einsatzes sollen die Verteidigungsminister im Februar entscheiden. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sieht Chancen, dass ein "überstürztes Verlassen" Afghanistans noch verhindert werden könne.

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