Nigeria:Sie können auch anders

Lesezeit: 2 min

Das bevölkerungsreichste Land Afrikas galt vielen als ziemlich hoffnungsloser Fall. Doch jetzt haben die Nigerianer die Korruption abgewählt und an den Urnen einen weitgehend friedlichen Machtwechsel eingeleitet. Das gibt dem ganzen Kontinent neue Hoffnung.

Von Tobias Zick

Nigeria hat die Korruption abgewählt. Das ist die Hauptbotschaft, die aus Afrikas bevölkerungsreichstem Staat kommt: Zum ersten Mal in der Geschichte dieses krisenreichen, von vielen Bruchlinien durchzogenen Landes löst ein Herausforderer auf demokratischem Weg einen amtierenden Präsidenten ab. Und der erkennt seine Niederlage an und fordert seine Anhänger auf, von Gewalt abzusehen. Das ist ein spektakulärer Moment in der jüngeren Geschichte Afrikas.

Eine Mehrheit der Nigerianer hat Muhammadu Buhari gewählt, den 72-jährigen asketischen Ex-Diktator, weil er ihnen halbwegs glaubwürdig "Change" versprochen hat, Wandel. Es reicht, weg mit dem faulen System von Korruption und Patronage: Dieser Impuls, der schon die Volksaufstände der vergangenen Jahre in Senegal oder Burkina Faso auslöste, wirkt jetzt in Nigeria auf andere Weise - durch eine friedliche, demokratische Wahl.

Dabei fiel es zuletzt so leicht, Nigeria als hoffnungslosen Fall abzutun: von Korruption zerfressen, von Terroristen überrannt. Das ölreichste Land des Kontinents, dessen Volk zuletzt immer mehr verarmte. Haben Skeptiker nicht immer gesagt, der Geburtsfehler Nigerias sei nicht zu beheben? Wie sollte aus diesem Gebilde aus der Kolonialzeit unter den Briten, die den muslimischen Norden und den christlich-animistischen Süden in gemeinsame Grenzen zwangen, je ein Staat werden, eine Nation? Und jetzt, auf einem Tiefpunkt der Entwicklung, bäumt sich plötzlich der Geist der Demokratie auf. Überall im Land standen am vergangenen Wochenende die Menschen stundenlang Schlange vor den Wahllokalen - in der sengenden Sonne, den Terrordrohungen von Boko Haram zum Trotz, mit Zuversicht, dass ihre Stimme etwas zum Guten bewirken kann. Der Wille, die alles zerfressende Korruption zu bekämpfen, hat eine Mehrheit der Nigerianer vereint, Haussa und Yoruba, Muslime und Christen.

Das Land galt als hoffnungslos - jetzt lässt es den Kontinent hoffen

Ob Muhammadu Buhari den Erwartungen gerecht wird, ist eine andere, große Frage. Die Herausforderungen, vor denen er steht, sind riesig: Die Terrormiliz Boko Haram im Nordosten des Landes ist zwar - vor allem dank der Intervention der Nachbarländer Tschad und Niger - zurückgedrängt, aber bei Weitem nicht besiegt. Die Volkswirtschaft ist einseitig auf den Export von Öl gebaut, und zuletzt hat ein rasant fallender Ölpreis auch diese marode Säule des Systems weiter beschädigt. Die bisherigen Profiteure werden nicht freiwillig von den Fleischtöpfen abschwirren, und die alten Patronage-Netzwerke lösen sich nicht über Nacht in Luft auf. Im Nigerdelta, wo die Ölquellen liegen, haben ehemalige Rebellen vor der Wahl mit "Krieg" gedroht, sollte ihr Mann, Amtsinhaber Jonathan, verlieren. Das Trauma der Biafra-Kriegs in den 1960er-Jahren, als der Südosten sich abzuspalten versuchte, sitzt tief.

Auch ist Buhari alles andere als ein in der Wolle gefärbter Demokrat. Während seiner kurzen Zeit als Militärdiktator von 1983 bis 1985 ließ er Oppositionelle ohne Verfahren einsperren oder verschwinden. Wie glaubwürdig seine Beteuerungen sind, er habe sich zum überzeugten Demokraten gewandelt, muss sich noch zeigen. Immerhin ist sein Spielraum, mit ähnlich harter Hand wie damals zu herrschen, eingeschränkt durch die heutige Verfassung und durch Koalitionspartner, über die er nicht ohne Weiteres hinwegregieren kann.

Auf den Jubel könnte nach und nach Ernüchterung folgen, es wäre nicht das erste Mal nach einem Moment des Aufbruchs in Afrika. Erst einmal hat Nigeria aber den Beweis erbracht, dass es möglich ist, einen gescheiterten Präsidenten abzuwählen, weitgehend friedlich und über ethnische und religiöse Grenzen hinweg: Das ist ein Zeichen der Hoffnung, nicht nur für Nigeria, sondern für den ganzen Kontinent.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: